Süddeutsche Zeitung

Digitalisierung:Klimakiller Cloud

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Weil immer mehr Daten auf Servern landen, verbrauchen die Rechenzentren in Deutschland immer mehr Strom. Dabei gibt es durchaus Ideen, wie sich diese Energie sparen ließe.

Von Helmut Martin-Jung

Wenn wir sie bloß sehen könnten, all die Daten um uns herum. So wie Schlangen Wärmestrahlung wahrnehmen. Doch sie sind und bleiben abstrakt. Dabei begleiten uns die Daten durch den ganzen Tag - und es werden immer mehr: Musik und Filme werden gestreamt, also übers Netz abgerufen aus den riesigen Datenbanken von Netflix, Amazon, Spotify und wie sie alle heißen. Und im Büro oder Home-Office kommen die Programme immer öfter aus der "Cloud", werden also nicht lokal auf dem Computer gespeichert, sondern auf Servern in einem Rechenzentrum.

Genauso wie Strom aber nicht einfach so aus der Steckdose fließt, sondern irgendwo und irgendwie produziert werden muss, genauso braucht das Speichern und Verarbeiten, das Transportieren und Konsumieren der Daten Energie - und setzt Kohlenstoffdioxid frei. Alleine ein großes Modell einer künstlichen Intelligenz zu trainieren, kann so viel CO₂ emittieren wie fünf US-Durchschnittsautos in ihrer gesamten Nutzungsdauer.

Klar also, dass Rechenzentren mehr und mehr ins Blickfeld geraten. Sie sind die Orte, an denen das, was man so wunderbar wolkig "die Cloud" nennt, seinen physischen Sitz hat. Und hier wird besonders viel Energie verbraucht - Tendenz steigend: Der Strombedarf der IT in Rechenzentren in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt, von 5,8 Milliarden im Jahr 2010 auf zehn Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2020. Für die Infrastruktur kamen 2020 weitere 5,3 Milliarden dazu. Zum Vergleich: Insgesamt wurden 2020 in Deutschland 502,6 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt und ins Stromnetz eingespeist.

Rechenzentren arbeiten zwar mittlerweile deutlich effizienter als noch vor zehn Jahren. Ihre Leistung hat sich im selben Zeitraum verachtfacht, und die Nachfrage steigt und steigt. Was also kommt da auf uns zu - sind Rechenzentren ein neuer Klimakiller?

Der Energieverbrauch mancher Rechenzentren entspricht dem einer Kleinstadt

Diese Sorge treibt längst auch den Branchenverband Bitkom um. Der Digitalverband ließ beim Borderstep-Institut, einer renommierten Berliner Forschungseinrichtung mit viel Expertise auf diesem Gebiet, eine Studie erarbeiten. Demnach gehen die CO₂-Emissionen von Rechenzentren leicht zurück. Das liegt aber vor allem daran, dass sich seit 2010 der Anteil von erneuerbaren Energien am Strommix deutlich erhöht hat. Beim Energieverbrauch in Deutschland machen die deutschen Rechenzentren einen Anteil von 0,6 Prozent aus.

Allerdings wurde für die Studie nur der Betrieb der Rechenzentren untersucht, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder, "denn nur das können wir auch wirklich beeinflussen". Es sind also nur der Stromverbrauch der Server, des internen Netzes sowie der nötigen Kühlung einbezogen. Die Herstellung der Server-Computer, der Netzwerkkomponenten sowie der Transport der Daten fließen nicht in die Rechnung ein.

Dabei spielt das eine wichtige Rolle. Allein in Berlin sollen in den kommenden Jahren Rechenzentrumskapazitäten in einem Maß aufgebaut werden, für die es etwa 100 000 Server braucht - die müssen erst einmal hergestellt werden. Die größte Ballung von Rechenzentren gibt es aber noch immer in Frankfurt am Main und Umgebung, wegen des dortigen Internetknotenpunkts. Jedes einzelne von ihnen hat einen Stromverbrauch so groß wie eine Kleinstadt. Zusammen machen sie ein Viertel des Gesamtstromverbrauchs der Stadt mit ihren gut 750 000 Einwohnern aus.

Mit einem effizienteren Betrieb lässt sich viel Strom sparen

Und glaubt man der IT-Branche, steht man beim Trend zur Cloud noch immer erst am Anfang. Bis 2025 soll der Stromverbrauch allein im Rhein-Main-Gebiet auf vier Milliarden Kilowattstunden pro Jahr steigen - viermal so viel wie im Jahr 2017.

Doch wo soll das enden? Eigentlich müsste es ja im Interesse der Rechenzentrumsbetreiber sein, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen, denn die ist in Deutschland so teuer wie nirgends sonst. Da waren sich Experten und Betreiber von Rechenzentren bei einer Befragung laut Bitkom-Geschäftsführer Rohleder auch völlig einig: Der Strom sei zu teuer.

Grund genug also, möglichst ressourcenschonend zu arbeiten. Doch da gibt es noch viel Luft nach oben, sagt beispielsweise das Umweltbundesamt. Wie viel CO₂ emittiert wird, hänge stark davon ab, wie effizient die Rechenzentren betrieben werden. Pro Terabyte Daten, die ein Jahr in der Cloud gespeichert werden, können zwischen 105 und 153 Kilogramm CO₂ anfallen - die Bandbreite ist also sehr groß. Das hat die Behörde anhand von Studien ausgerechnet. Sind die Server auch wirklich ausgelastet? Nein? Dann sollten sie heruntergefahren werden. Ist die Kühlung richtig dimensioniert? All das hat Auswirkungen auf den Verbrauch.

Andererseits müssen die Betreiber auch vermeiden, dass bei plötzlichen Lastanstiegen Serverkapazität fehlt. Wenn dann die Seite etwa eines Onlinehändlers nur im Schneckentempo geladen wird, schadet das dessen Geschäft. Für das technische Management des Rechenzentrums ist das also eine Herausforderung.

In Deutschland gibt es noch etwa 47 000 kleine Rechenzentren, lange Zeit wurden davon nur wenige abgebaut. Zwar nutzen mehr und mehr Unternehmen Clouddienste der großen Anbieter, die energetisch effizienter arbeiten. Doch oft behielten sie auch das Rechenzentrum in der Firma, auf das sie direkt Zugriff haben. Mittlerweile scheint sich das zu ändern, der Anteil der kleinen Rechenzentren schrumpft. Dafür wächst ein anderer Bereich, das sogenannte Edge-Computing. Damit sind kleinere Rechenzentren gemeint, die sehr nah dort entstehen, wo Rechenleistung gebraucht wird, etwa beim Mobilfunk.

Bitkom hat für die Studie drei Szenarien errechnen lassen. Im schlechtesten Fall würde der Bedarf an Energie für Rechenzentren in Deutschland bis 2030 auf 35 Milliarden Kilowattstunden steigen. Es könnten aber auch nur 23 Milliarden sein - je nachdem, wie sehr es gelingt, die Effizienz in den Rechenzentren zu steigern. Dazu kann auch gehören, ihre Abwärme zu nutzen, bis jetzt machen das erst rund 40 Prozent der Betreiber. Oft scheitert es daran, dass die Betreiber keinen Abnehmer dafür finden, oder die Fernwärmeleitungen nicht für die relativ niedrigen Temperaturen aus den Rechenzentren ausgelegt sind.

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