Süddeutsche Zeitung

China:Gescheitert

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Mit Airlines ist der chinesische Mischkonzern HNA groß geworden. Später beteiligte er sich sogar an der Deutschen Bank. Jetzt ist es aus.

Von Jens Flottau, Christoph Giesen und Meike Schreiber, Frankfurt/Taipeh

Es fing mit zwei Maschinen von Boeing an, 1993 war das. 1,4 Millionen Dollar Startkapital stellte die Provinzregierung der chinesischen Tropeninsel Hainan zur Verfügung, den Rest kratzten Gründer Chen Feng und sein Kompagnon Wang Jian zusammen. Chinas erste mehrheitlich private Fluglinie nahm ihren Betrieb auf: Hainan Airlines. Was einmal klein begann, wurde schnell sehr groß. "Uns gehören Flugrouten zu Orten, wo nicht einmal Hasen hinscheißen", sagte Chen einmal in einem Interview. "Der halbe chinesische Luftraum ist unter unserer Kontrolle." Vorbei womöglich. HNA droht die Verstaatlichung, meldete zuerst die Nachrichtenagentur Bloomberg. Der Einbruch der Passagierzahlen durch den Coronavirus-Ausbruch scheint das Ende der ersten privaten chinesischen Fluggesellschaft beschleunigt zu haben. Eine der erstaunlichsten Expansionsgeschichten in der Luftfahrtindustrie geht wohl zu Ende. Ja, eine der waghalsigsten Wachstumsstrategien eines Unternehmens in den vergangenen Jahren ist gescheitert.

Aus der Fluggesellschaft war rasch ein Konglomerat geworden, weitverzweigt mit dem Namen HNA, gegründet 2000, der Geschäftssitz ist in Haikou, der Hauptstadt Hainans. Dutzende Beteiligungen kamen hinzu, bald wuchsen nur wenige andere Unternehmen weltweit schneller als HNA, ein weltweites Imperium mit etlichen Milliarden Dollar Umsatz entstand, das meiste davon zugekauft. Eine Beteiligung an den Hilton-Hotels: 6,5 Milliarden Dollar für 25 Prozent. 2016 übernahm das Unternehmen den amerikanischen IT-Großhändler Ingram Micro für insgesamt sechs Milliarden Dollar.

Auch in Deutschland investierte HNA: Den Regionalflughafen Hahn im Hunsrück erwarb der Konzern. Ja selbst bei der Allianz klopfte man selbstbewusst an. Mehr als 90 Milliarden Euro Börsenwert, ach, warum nicht? Wachstum, koste es, was es wolle. Statt bei der größten deutschen Versicherung stiegen sie schließlich beim ersten Geldhaus des Landes ein, bei der Deutschen Bank. 3,4 Milliarden Euro zahlte HNA für 9,9 Prozent der Anteile. 2017 war das ein wichtiger Vertrauensbeweis für die kriselnde Bank. HNA sehe das Institut als "sehr attraktives Investment", lobte die "hervorragende DNA und die starke Marke der Bank", die sich auch wieder in Gewinn und Aktienkurs widerspiegeln würden. Man sehe sich als langfristiger Ankeraktionär und werde die künftigen Schritte des Instituts als Aktionär unterstützen.

Auch einen Sitz im Aufsichtsrat hatte sich der Konzern gesichert, suchte über Treffen mit dem damaligen Bankchef John Cryan die Nähe zum Management des Geldhauses. Allein, der Aktienkurs entwickelte sich anders als erhofft. Auch die Finanzaufsicht beäugte den Investor aus der Volksrepublik kritisch. Bereits zwei Jahre später kündigten die Chinesen wieder den Rückzug an und verkauften ihren Anteil schrittweise. Seit Ende 2019 ist das Kapitel endgültig abgeschlossen.

Aber da war man schon längst über den Zenit und das auf Pump zusammengekaufte Gebilde ins Wanken geraten. Die meisten Beteiligungen sind verkauft, viel davon mit Verlust. Auf das Kerngeschäft, die Luftfahrt, wollte sich das Unternehmen wieder konzentrieren. Doch nun könnte selbst das nicht mehr eigenständig funktionieren. Dabei hatte das Unternehmen, beginnend mit Hainan Airlines, ein stark wachsendes Konglomerat von chinesischen Fluggesellschaften aufgebaut und war damit der einzige private Anbieter, der eine ähnliche Größe wie die drei staatlichen Airlines Air China, China Southern und China Eastern erreicht hat.

Zu HNA gehören neben Hainan Airlines 14 weitere chinesische Gesellschaften, darunter Tianjin und Hong Kong Airlines. HNA investierte auch international, unter anderem in Azul Airlines aus Brasilien, TAP Portugal und Virgin Australia. Die Gruppe ist am stark wachsenden Flugzeugleasingunternehmen Avolon beteiligt.

Nun werden die drei großen chinesischen Fluggesellschaften voraussichtlich nicht nur indirekt gestärkt, denn die HNA-Airlines sollen auf sie verteilt werden. Offenbar sollen auch Regionalregierungen einspringen, um regionale Fluglinien zu retten. HNA hatte in vielen chinesischen Provinzen gemeinsam mit den örtlichen Verwaltungen lokale Airlines gegründet und so ein immer breiteres Netz von Firmen geschaffen.

Wegen des Coronavirus ist der Flugverkehr nicht nur nach, sondern vor allem auch innerhalb Chinas eingebrochen. Die Fluggesellschaften haben zwei Drittel bis drei Viertel aller Flüge gestrichen, die meisten Flugzeuge stehen am Boden. Die Zentralregierung in Peking hat bereits beschlossen, der Branche insgesamt finanziell unter die Arme zu greifen. Fluggesellschaften können Verluste, die jetzt entstehen, über acht Jahre steuerlich geltend machen, üblich waren sonst fünf. Eine Infrastrukturabgabe, die bei jedem Ticket fällig war, ist ausgesetzt, nun sollen Anleihen für frisches Geld sorgen, um die Zeit zu überbrücken, bis die Nachfrage sich erholt. Für HNA reichte das nicht mehr.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2020
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