Süddeutsche Zeitung

Software-Branche:Celonis geht Partnerschaft mit Servicenow ein

Lesezeit: 3 min

Das Münchner Vorzeigeunternehmen Celonis und die US-IT-Firma Servicenow arbeiten künftig zusammen. Das Ziel: Engstellen in Arbeitsabläufen beseitigen.

Von Helmut Martin-Jung

Aus der Idee dreier Studenten in nur zehn Jahren ein Milliardenunternehmen aufzubauen, das schaffen nur wenige, erst recht nicht in Deutschland. Der in München ansässigen Softwarefirma Celonis ist das gelungen, sie ist damit eine Ausnahmeerscheinung. Mehr als zehn Milliarden Dollar ist die Firma mittlerweile wert. Von der Pandemie und der so beschleunigten digitalen Transformation haben die Münchner profitiert: Mit ihren KI-gestützten Datenanalyseverfahren können sie zeigen, an welchen Stellen in einem Unternehmen es Reibungsverluste gibt.

Das alleine reicht vielen Kunden aber mittlerweile nicht mehr aus, sie wünschen sich Systeme, die ihnen helfen, die gefundenen Engpässe auch gleich zu beheben. Das lässt den nächsten Schritt, den Celonis nun geht, logisch erscheinen: Das US-Unternehmen Servicenow, geführt vom früheren SAP-Chef Bill McDermott, ist einer der führenden Anbieter auf dem Markt für Software, die Abläufe in Firmen steuert, den sogenannten Workflow.

Bastian Nominacher, einer der drei Gründer und Chefs von Celonis, ist sich sicher, dass man zusammen nun nicht bloß feststellen könne, wo es klemmt, sondern auch gleich ein System anbieten könne, das die Engstelle beseitigt. "30 Prozent aller Bestellungen können bei einem Konsumgüterhersteller nicht rechtzeitig geliefert werden, zum Beispiel weil die Paletten aufgrund der variierenden Bestellmengen erst aufwendig umgebaut werden müssen", gibt Nominacher ein Beispiel. Wenn man den Kunden schon bei der Bestellung informieren und überzeugen könne, lieber eine geringfügig andere Menge zu bestellen, könne dieser Engpass von vorneherein vermieden werden.

"Der Bedarf bei der digitalen Transformation ist riesig"

"Die Lieferkette zu orchestrieren, ist nicht einfach", sagt der Datenexperte Nominacher, viele Kunden hätten sich gewünscht, dafür eine Lösung angeboten zu bekommen. Der Beitrag von Celonis: Mit einer Technologie namens process mining werden die in den verschiedenen IT-Systemen von Firmen vorhandenen Daten zu einem Gesamtbild verwoben. Auf diesem wird deutlich, wo es Engstellen und Verzögerungen gibt.

Der Schwerpunkt von Servicenow liegt in den Maßnahmen, die sich an diese Erkenntnis anschließen, zum Beispiel wenn es darum geht, den Kundenservice zu organisieren. Servicenow konzentriert sich dabei auf die reinen Abläufe. Die dafür nötigen Daten können zum Beispiel aus Datenbanken von SAP oder Oracle stammen. "Wir kümmern uns um den Workflow", sagt Detlef Krause, der Leiter des Geschäfts von Servicenow in Zentraleuropa, "nicht um das Backend."

Auch Krause versteht es als wichtigstes Ziel der neuen Partnerschaft, eine Lösung zu liefern, die nicht nur die Problemstellen zeigt, sondern auch hilft, sie aufzulösen. "80 Prozent aller Digitalisierungs-Projekte gehen den Unternehmen nicht schnell genug, viele scheitern auch", sagt Krause. "Das wird in den Vorständen diskutiert", man wolle irgendwann auch den Return sehen - dass also solche Projekte sich auch finanziell lohnen.

Mit "einer Art Betriebssystem fürs Unternehmen", wie Bastian Nominacher das nennt, wollen die neuen Partner dieser Anforderung gerecht werden: "Der Bedarf bei der digitalen Transformation ist riesig", sagt Nominacher, auch Beratungsunternehmen sähen im Markt für die sogenannte Hyperautomation eine gewaltiges Potenzial. Seine Folgerung: "Wir müssen eine Lösung bieten, die schnellen Erfolg gewährleistet."

Die Partnerschaft zielt vor allem auf gemeinsamen Vertrieb und Service ab, erläutern Nominacher und Krause. Beide Unternehmen seien in ihrem Segment Marktführer, sagt Krause, gemeinsam tue man sich noch leichter, Kunden zu gewinnen. Geplant sei auch eine finanzielle Beteiligung an Celonis. Die beiden Unternehmen sollen aber selbständig bleiben und auch jeder für sich Kunden akquirieren können.

Beispielloser Aufstieg

Der Aufstieg von Celonis ist in der jüngeren deutschen Unternehmensgeschichte beispiellos. Nahezu im Wochentakt gibt es Neuigkeiten von Deutschlands wertvollstem Start-up, das noch immer von den drei Gründern geleitet wird. Erst vor Kurzem etwa gaben sie bekannt, dass sie die Daten-Streaming-Plattform Lenses.io kaufen, eine Firma, die es mit ihrer Technologie ermöglicht, Daten in Echtzeit auszuwerten, um so zum Beispiel Lieferengpässe vorherzusehen. Zudem gewannen sie Wil van der Aalst, den renommierten Erfinder ihrer grundlegenden Technologie, des sogenannten Process Minings, als Chef-Technologen.

Auch Servicenow legte eine rasante Entwicklung hin. Mittlerweile arbeiten etwa 15 000 Menschen für das Unternehmen, das auf einen Umsatz von sechs Milliarden Dollar pro Jahr zustrebt, und seinen Europasitz in München hat. Die Software bietet es via Cloud an und leistet vor allem Hilfe dabei, Arbeitsabläufe reibungslos zu gestalten, zum Beispiel bei der Ausstattung mit Computern oder wenn neue Mitarbeiter eingestellt werden.

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