Süddeutsche Zeitung

Bundesbank:Strafzinsen kassiert, Gewinn maximiert

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Von Markus Zydra, Frankfurt

Jens Weidmann musste sich bei der Präsentation des Bundesbank-Geschäftsberichts auch der Frage des Jahres stellen, nämlich, ob er im November 2019 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) werden möchte. Der Bundesbankpräsident würde dann Nachfolger von Mario Draghi, dem Mann, dessen geldpolitische Entscheidungen er in den letzten Jahren immer wieder kritisiert hatte. Aber kann ein Kritiker der EZB überhaupt Präsident derselben Institution werden, ohne sich dafür intellektuell verbiegen zu müssen? Weidmann ging auf die Personaldebatte gar nicht weiter ein, sondern beschied in allgemeinen Worten, dass er sich immer treu bleiben werde. "Man muss sich nicht sorgen, dass ich Meinungen vertrete, die ich nicht vertreten kann."

Hauptsächlich wollte Weidmann ohnehin über die Gewinne der Bundesbank im vergangenen Jahr referieren. Die waren respektabel: Die Bundesbank überweist dem Bundesfinanzministerium einen Bilanzgewinn in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Dieser Betrag liegt deutlich über dem des Vorjahres, was manchen gebeutelten Kleinsparer zu der Frage führen mag: Wie macht man so viel Profit in Zeiten von Niedrig- und Strafzinsen? Antwort: Die Bundesbank kassiert die Strafzinsen.

Das geht so: Die Geschäftsbanken parken das überschüssige Geld auf ihren Konten bei der Bundesbank. Dort werden auf jeden Euro 0,4 Prozent Strafzins fällig. Diesen Satz hat die EZB vor zwei Jahren festgelegt, um die Kreditvergabe der Banken anzukurbeln. Darlehen ausgeben statt Strafzins zahlen, so die Idee. Doch die EZB pumpt mehr Geld ins System, als die Banken verleihen können. Daher liegt viel Geld auf den Konten. Die Bundesbankerträge aus der Negativverzinsung der Einlagen erhöhten sich auf 3,2 Milliarden Euro, das ist fast doppelt soviel wie 2016.

Die Bundesbank kreist im Orbit einer verkehrten Welt. Sie verdient am Strafzins, gleichzeitig werfen Staatsanleihen und Refinanzierungsgeschäfte mit Banken fast nichts mehr ab. Die Ertragskonstellation der Notenbank habe sich "verkehrt", meinte Weidmann. "Wenn die Leitzinsen wieder steigen, dann müssen wir die Einlagen der Banken wieder verzinsen, gleichzeitig werfen langlaufende Anleihen weiter wenig ab", mahnte Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele.

Die Euro-Staaten könnten sich an die niedrigen Kreditkosten gewöhnt haben

Die Zinswende, von vielen herbeigesehnt, birgt für die Bundesbank also ein gewaltiges Verlustrisiko. Deshalb ist die "Wagnisrückstellung" 2017 um 1,1 Milliarden Euro aufgestockt worden. Dieses Geld fehlt jetzt vorerst dem Bund, der von der Bundesbank eigentlich eine Überweisung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro eingeplant hatte. Doch Sicherheit geht vor: Über die letzten Jahre hat die Bundesbank 16,4 Milliarden Euro als Puffer zurückgelegt, um mögliche Verluste aus Anleihekäufen und Zinsänderungen auffangen zu können. Dessen ungeachtet verfolgt die Bundesbank keine Strategie zur Profitmaximierung - sie macht ihre Geldgeschäfte, um den Wert der Währung zu erhalten. Das ist ihr Mandat.

Die Zinswende könnte tatsächlich bald kommen. Die Finanzmärkte gehen fest davon aus, dass die EZB im kommenden Jahr die Leitzinsen wieder anheben wird. Auch Weidmann hält diese Erwartung für "nicht komplett unrealistisch". Der Bundesbankpräsident mahnt schon lange, die EZB müsse ihre lockere Geldpolitik beenden. Die niedrigen Zinsen erzeugten eine "Tragfähigkeitsillusion". Dahinter steckt die Sorge, dass sich die Euro-Staaten an die niedrigen Kreditkosten gewöhnt haben könnten. Sobald die Leitzinsen steigen, erhöhen sich jedoch auch die Zinskosten für die Staatsschulden. "Die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte darf auch dann nicht in Frage gestellt werden, wenn sich das Zinsumfeld normalisiert oder die wirtschaftliche Lage wieder eintrüben sollte", sagte Weidmann. Er forderte außerdem, die EZB solle das billionenschwere Anleihen-Kaufprogramm noch in diesem Jahr beenden. Wenn der wirtschaftliche Aufschwung anhalte und die Preise anstiegen, gebe es keinen Grund, dies nicht zu tun. Der EZB-Rat trifft sich in der kommenden Woche.

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SZ vom 28.02.2018
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