Süddeutsche Zeitung

Bundesbank-Chef tritt ab:Webers Debakel, Merkels Problem

Der Entschluss von Bundespank-Chef Weber, vorzeitig aus dem Amt zu scheiden, ist richtig: Als Notenbankpräsident wäre er ein König ohne Gefolge geworden. Allerdings muss Kanzlerin Merkel nun rasch eine überzeugende Lösung finden.

Claus Hulverscheidt

Für sich genommen ist der Entschluss von Bundesbank-Chef Axel Weber, vorzeitig aus dem Amt zu scheiden und sich auch nicht länger um den Präsidentenjob bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu bewerben, so nachvollziehbar wie folgerichtig: Weber ist in zentralen geldpolitischen Fragen grundlegend anderer Meinung als der Großteil des EZB-Direktoriums und seiner europäischen Kollegen. Als Notenbankpräsident wäre er somit ein König ohne Gefolge geworden.

Mit der Art und Weise seines Rückzugs aber hat Weber erheblichen Schaden angerichtet. Leidtragende sind die Institution Bundesbank, die erneut vorzeitig ihren Präsidenten verliert, die Kanzlerin, die plötzlich ohne eigenen EZB-Kandidaten dasteht und nun binnen Tagen ein Personalpaket schnüren muss; und vor allem Weber selbst. Sollte er tatsächlich zur Deutschen Bank wechseln wollen, so ist sein Start schon jetzt gründlich verpatzt - und das noch vor Beantwortung all der ethisch-moralischen Fragen, die sich bei einem Wechsel von Deutschlands oberstem Bankenaufseher zu Deutschlands größter Bank stellen.

Gänzlich unschuldig an der Misere ist allerdings auch Merkel nicht. Weber hat in den vergangenen Monaten mehrmals durchblicken lassen, dass er sich mehr Unterstützung für seine strikte geldpolitische Haltung gewünscht hätte - auch aus der Politik. Merkel jedoch überhörte die Klagen ihres Kandidaten.

Sie muss nun rasch eine überzeugende Lösung für die Bundesbank finden und dabei auch eigene Wünsche, zum Beispiel nach einem Verbleib ihres Wirtschaftsberaters Jens Weidmann im Kanzleramt, hintanstellen. Ihr Plan, erstmals einen Deutschen auf den Chefsessel bei der EZB zu hieven, dürfte hingegen geplatzt sein.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2011
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