Süddeutsche Zeitung

Bundesbank:Alles stockt

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Die Politik schiebt zwei Vorstandsbesetzungen bei der Bundesbank vor sich her. So könnten wichtige Ressorts ab Mai 2018 ohne Führung dastehen.

Von Cerstin Gammelin, Meike Schreiber und Markus Zydra, Berlin/Frankfurt

Die schleppende Regierungsbildung in Berlin hat dazu beigetragen, dass die Entscheidung über die fällige Besetzung zweier Vorstandsposten bei der Deutschen Bundesbank noch immer aussteht. Die Verträge von Andreas Dombret, 57, und Carl-Ludwig Thiele, 64, enden am 30. April 2018. Dombret, ein CDU-Mann, ist für die Bankenaufsicht zuständig. Der Ökonom hat Deutschland bei den Verhandlungen zur Verschärfung des Bankenkontrollregelwerks Basel 3 vertreten. Thiele ist für den Zahlungsverkehr zuständig. Unter der Verantwortung des früheren FDP-Bundestagsabgeordneten hat die Bundesbank in den letzten Jahren Tonnen deutscher Goldreserven aus Frankreich und den USA nach Deutschland transportiert. Die Achtjahresverträge der beiden Bundesbanker laufen in fünf Monaten aus - eigentlich wäre es an der Zeit, Klarheit zu schaffen.

Doch in der geschäftsführenden Bundesregierung hat die Entscheidung über die nahe Zukunft des Bundesbankvorstandes keine Priorität. "Über diese Frage wird im nächsten Jahr von der neuen Bundesregierung entschieden", hieß es auf Nachfrage aus Regierungskreisen. Andere Aufgaben sind jetzt offenbar dringlicher, ganz zuerst natürlich die, überhaupt eine Regierungskoalition zu bilden. Das kann bis ins Frühjahr hinein dauern. Die Entscheidungsschwäche liegt auch daran, dass das Bundesfinanzministerium oft führungslos ist. Peter Altmaier (CDU), der geschäftsführende Finanzminister, kann sein Amt in der Berliner Wilhelmstraße nur in Teilzeit ausüben, weil er im ersten Job Kanzleramtschef und im zweiten Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung ist. Auch im Bundestag herrscht keine Eile. "Es ist zu verkraften, wenn ein Posten für ein paar Monate nicht besetzt ist", hieß es am Montag. Die Aufgaben könnten von den verbliebenen Kollegen übernommen werden.

Die Bundesregierung hat das Vorschlagsrecht für einen der beiden Posten. Der andere liegt in der Zuständigkeit des Bundesrates, im konkreten Fall liegt die Federführung in Hannover. Allerdings ist dort gerade eine neue Landesregierung ins Amt gekommen. "Niedersachsen wird zu gegebener Zeit auf den Bundesrat zukommen", sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Hannover

Die einfachste Lösung wäre es, den beiden amtierenden Vorstandsmitgliedern eine zweite Amtszeit anzubieten. Dombret wäre wohl dazu bereit, weitere acht Jahre dranzuhängen. Der frühere Investmentbanker fühlt sich wohl in seiner Position. Bundesbankvorstand Thiele sagte jüngst im Gespräch mit der SZ, ihm mache die Aufgabe im Bundesbankvorstand "nach wie vor viel Freude". Alles Weitere müsse er jedoch zunächst mit seiner Familie besprechen. Thiele pendelt regelmäßig von Frankfurt in seine Heimatstadt Osnabrück.

Im Mai 2018 könnten zwei wichtige Ressorts ohne Führung dastehen

Bei der Bankenlobby rechnet man damit, dass die Verträge der beiden Vorstände eher nicht verlängert werden. Thiele sei mit 64 Jahren zu alt, hieß es aus einem Bankenverband. Dessen FDP-Parteibuch sei nach dem Platzen der Jamaika-Koalition außerdem eher ein Nach- denn ein Vorteil. Dombret wiederum habe es sich bei den Banken verscherzt, weil er als deutscher Verhandlungsführer und Mitglied des Baseler Ausschusses dem sogenannten "Basel-Kompromiss" zugestimmt hat, der in dieser Woche nach jahrelanger Verhandlung verkündet wird. Dabei geht es darum, dass die Banken höhere Eigenkapitalvorgaben erfüllen müssen und weniger Spielraum bei der Berechnung des Kapitalpuffers haben. Zwar entscheiden nicht die Banken über die Verlängerung seines Vertrages, Dombret habe dadurch aber "wichtige Verbündete" verloren, hieß es.

Doch die Suche nach geeigneten Nachfolgekandidaten braucht Zeit. Das Abwarten der Politik könnte dazu führen, dass die Bundesbank ab Mai 2018 gleich zwei wichtige Ressorts unbesetzt hat. Eine geschäftsführende Weiterbeschäftigung, wie es die Bundesregierung derzeit praktiziert, ist für Vorstände der Bundesbank nicht vorgesehen. Dombret und Thiele müssten also pünktlich ausscheiden.

Die übrigen vier Vorstandskollegen hätten dann vor allem die wichtige Bankenaufsicht mit zu übernehmen. Dabei stehen im kommenden Jahr nicht nur regulatorisch wichtige Themen auf dem Programm, wie zum Beispiel die Frage, wie der Basel-Kompromiss in deutsches Recht umgesetzt wird. Es geht auch um die tägliche Aufsicht der Geldhäuser, bei der die Bundesbank neben EZB und Bafin weiterhin eine wichtige Rolle spielt. "Gut möglich, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Bankenaufsicht zur Chefsache macht", hieß es in Finanzkreisen. Man darf aber davon ausgehen, dass es Weidmann lieber sähe, wenn die Posten pünktlich nachbesetzt würden. Der Mann hat sowieso genug zu tun.

Es kann vorkommen, dass die Nachfolge nicht perfekt zu timen ist. Die Bundesbank hat das zuletzt 2016 erlebt. Nachdem Bundesbankvorstand Joachim Nagel zur KfW-Bank gewechselt war, trat sein Nachfolger Joachim Wuermeling erst sechs Monate später sein Amt an. Doch Nagels Abschied kam überraschend, es musste zügig ein Nachfolger gefunden werden. Der Zeitpunkt für das Vertragsende von Dombret und Thiele ist seit Mai 2010 bekannt.

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Quelle:
SZ vom 05.12.2017
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