Süddeutsche Zeitung

Bei uns in London:English Breakfast in Gefahr

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Die britische Presse schreibt schon von einem "sausage war". Und in der Tat: Jetzt geht es beim Brexit um die Würstchen.

Von Alexander Mühlauer

Neulich erzählte John, dass er sich dank der Pandemie endlich wieder auf das konzentriere, was wirklich wichtig sei, also ein vernünftiges Frühstück. Vorbei die Zeiten, in denen er auf dem Weg ins Büro noch rasch einen Kaffeebecher bei Costa mitgenommen habe, dazu ein Croissant oder, wenn er ganz gut gelaunt war, einen Blaubeer-Muffin. Nein, seit er wegen Corona von zu Hause aus arbeite, lege er wieder Wert auf das, was ihm schon seine Mutter beigebracht habe: "Ein guter Start in den Tag beginnt mit einem guten Frühstück." In Johns Fall bedeutet das: English Breakfast.

Nun gehören zu einem solchen Frühstück ja einige Zutaten. Da wären etwa die Eier, die John gerührt bevorzugt. Dann der Bacon, die gebratenen Champignons, eine gegrillte Tomate, natürlich Baked Beans und ein paar Würstchen. Dazu gibt es Toast. Um das am Morgen zuzubereiten, braucht es natürlich Zeit, aber die hat John ja jetzt, weil er nicht mehr im Zug sitzen und eine Stunde ins Büro pendeln muss. Stattdessen macht er nun ein ausgiebiges Frühstück für die Familie, auch wenn nicht jedes Kind davon begeistert ist, schon am frühen Morgen Würstchen zu essen.

Überhaupt: die Würstchen. Wenn es etwas gibt, über das sich John wunderbar aufregen kann, dann sind es die Würstchen. Die Bangers, wie die Briten sie nennen, sind mittlerweile zu einem Politikum geworden. Denn seit dem Brexit ist nicht mehr ganz sichergestellt, dass alle Landesteile des Vereinigten Königreichs mit Würstchen versorgt werden. Von Juli an könnte es sogar so weit kommen, dass in Großbritannien hergestellte Würstchen nicht mehr nach Nordirland geliefert werden. Grund dafür ist eine Übergangsfrist, die Ende des Monats ausläuft. Bislang ist es kein Problem, gekühlte Lebensmittel über die Irische See zu transportieren. Doch damit dürfte es bald vorbei sein. Es sei denn, die EU verlängert die Frist.

Es gibt Argumente, die dafür und dagegen sprechen. Weil dies aber kein Leitartikel, sondern eine Kolumne ist, soll die Frage im Vordergrund stehen, was das alles nun für die britische Frühstückskultur bedeutet. Um sie zu beantworten, reicht ein schneller Blick in die Zeitungen. Von einem Krieg mit der EU ist da teilweise sogar schon die Rede. Der sogenannte sausage war hat sogar den G-7-Gipfel in Cornwall beschäftigt - allerdings ohne Ergebnis. Wie es aussieht, wird Boris Johnson also wohl nicht darum herumkommen, Ursula von der Leyen zum Frühstück nach London einzuladen. Gemäß dem Motto: get breakfast done.

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