Süddeutsche Zeitung

Braunkohle:Schnell weg damit

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Der schwedische Vattenfall-Konzern will sich vom ungeliebten deutschen Geschäft trennen. Der einzige Interessent ist eine tschechische Energiefirma. Doch die wirft Fragen auf.

Von Michael Bauchmüller und Silke Bigalke, Berlin/Stockholm

Wie einfach es ist, der schwedischen Regierung aufs Dach zu steigen, demonstrierte vor Kurzem eine kleine Gruppe von Umweltaktivisten. Sie stellte Leitern links und rechts vom Eingang des Regierungssitzes Rosenbad. Zwei Demonstranten kletterten aufs Vordach und entrollten ihr Plakat: "Vi låter kolet ligga", wir lassen die Kohle liegen.

Es geht um die Kohle in Deutschland, der staatseigene Vattenfall-Konzern will das deutsche Braunkohlegeschäft verkaufen. Die Entscheidung in Stockholm soll schon in den nächsten Tagen fallen - danach beginnt in Stockholm die große Sommerpause. Es wird erwartet, dass die rot-grüne Regierung einem Verkauf an den tschechischen Energiekonzern EPH zustimmt, obwohl die Grünen dagegen sind.

Die Schweden wollen damit ein ungeliebtes Investment in Deutschland endlich eenden. 2001 hatte sich Vattenfall an der Lausitzer Braunkohle-AG, kurz Laubag, beteiligt. Zusammen mit den Beteiligungen in Hamburg und Berlin, Anteilen an Atomkraftwerken und dem ostdeutschen Kraftwerkskonzern VEAG sollte daraus eine "neue Kraft" am deutschen Strommarkt entstehen. Es sollte Vattenfalls großer Einstieg in Mitteleuropa sein. Doch 15 Jahre später ist die neue Kraft nur noch Last.

In Stockholm müssen sich die Regierungen seit Jahren fragen lassen, wie sich das Braunkohlegeschäft mit Klimazielen verträgt, und in Deutschland redet Vattenfall mittlerweile lieber über Windräder als über Kohlekraftwerke. Mit dem tschechischen EPH-Konzern sei nun ein Unternehmen gefunden, das die Braunkohle offensichtlich anders bewerte als Vattenfall, heißt es bei dem schwedischen Konzern. Hauptsache, schnell weg.

So schlägt, wenn die Regierung grünes Licht gibt, die Stunde einer großen Unbekannten. Die " Energetický a Průmyslový Holding" ist keine zehn Jahre alt und im Wesentlichen Schöpfung und Eigentum zweier tschechischer Investoren: Daniel Křetínský und Patrik Tkáč. In ihrem Reich tauchen zypriotische Tochterfirmen auf und wieder unter, auch in den Panama Papers findet sich eine Briefkastenfirma - für Křetínskýs Yacht, heißt es. Seit einigen Jahren kaufen sie sich massiv in osteuropäische Energiemärkte ein, in slowakische Gasnetze, die Wärmeversorgung Tschechiens - oder in deutsche Braunkohle.

Denn schon 2009 stieg die EPH - über eine Tochterfirma namens JTSD - bei der Mibrag ein, dem drittgrößten Braunkohle-Konzern der Republik. Ihre Tagebaue liegen im mitteldeutschen Revier und bei Helmstedt, rund ein Neuntel der deutschen Kohle wird hier gefördert. Von daher rühren auch die Erfahrungen mit dem Geschäft, auf die EPH gerne verweist - inklusive der Erkenntnisse über die Risiken.

Nichts belegt das besser als der kürzlich vorgelegte "befreiende Konzernabschluss" der JTSD, veröffentlicht im Bundesanzeiger. Seitenweise legt das Unternehmen hier seine Risiken vor, das Papier liest sich wie der verstörende Beipackzettel eines komplexen Medikaments. "Es könnte sein, dass wir unsere Schlüsselstrategien nicht erfolgreich umsetzen können", heißt es darin. Unwägbarkeiten gibt es zuhauf, nicht nur in Deutschland. Strompreise könnten weiter fallen und das Geschäft mit Kraftwerken verderben. Preise für Klimaschutz-Emissionszertifikate könnten steigen - bei keinem Energieträger hätte das größere Auswirkungen als bei der CO₂-intensiven Braunkohle. Die Politik könnte vorzeitig aus der Kohle aussteigen - und am Ende stehen hohe "Umweltsanierungskosten". Die Auflistung der Risiken ist schonungslos - und sie betrifft das Braunkohlegeschäft von Vattenfall ebenso wie jenes der Mibrag. Aber nichts davon ist so sensibel wie die Kosten der Rekultivierung - denn sie fallen noch an, lange nachdem das letzte Gramm Braunkohle gefördert ist. Was aber macht dann EPH?

Es wird befürchtet, dass die Sparte in die Hände zweifelhafter Investoren fällt

Am Dienstag wandte sich die Umweltorganisation Greenpeace mit einer eindringlichen Warnung an die Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen. Sie können zwar nicht über den Verkauf entscheiden, dafür aber EPH mit Auflagen überziehen. "Lassen Sie nicht zu, dass Vattenfalls Braunkohlesparte in die Hände von zweifelhaften Finanzinvestoren fällt", heißt es darin. Es drohe ein " worst case" für Klima und Steuerzahler, bei dem entweder auf Teufel komm raus weitere Braunkohle verfeuert wird oder aber der Investor das Weite sucht, ehe er die Restschuld beglichen hat.

EPH selber weist jeden üblen Verdacht von sich. Das Unternehmen sei eben "fest überzeugt, dass sich die Strompreise wieder erholen und die Braunkohle noch eine Weile im Energiemix nötig sein wird", erklärt ein Sprecher. "Und was ist die Alternative zu einem Betreiber, der die Kraftwerke noch so lange betreibt, wie es die Politik will?" Wohl wahr: Denn außer EPH fand sich keiner, der die Kohlesparte von Vattenfall kaufen wollte. Der Regierung in Stockholm macht das die Sache nicht leichter.

Obendrein zahlt Vattenfall kräftig drauf, um das Geschäft loszuwerden. Mit 1,7 Milliarden Euro an Barmitteln statten die Schweden die ungeliebte Tochter aus - Geld, mit dem EPH dereinst den Verpflichtungen nachkommen soll. Doch nicht nur Greenpeace fürchtet, dass das Geld in der Zwischenzeit abhandenkommen könnte. "Es wäre ein Szenario denkbar, in dem der Käufer die 1,7 Milliarden Euro einfach nimmt und abhaut", sagt der Potsdamer Klimaökonom Ottmar Edenhofer.

In Schweden gilt der Deal zumindest als "kompliziert", viel mehr wollte der zuständige Minister Mikael Damberg bisher nicht sagen. Er fürchtet jedoch noch größere Verluste für Vattenfall, käme der Verkauf nicht zustande. Die Entscheidung müsse eine rein wirtschaftliche sein, keine politische, sagt der energiepolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Ingemar Nilsson. Auch der grüne Koalitionspartner resigniert. Es sei einfach ungeschickt gewesen, räumte eine Parteisprecherin unlängst ein, im Wahlkampf so große Versprechungen abzugeben - "zum Beispiel, dass wir alleine den Verkauf von Vattenfalls Kohlegruben stoppen könnten".

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Quelle:
SZ vom 22.06.2016
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