Süddeutsche Zeitung

Bosch:Gesucht: G1 und F1

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Konzern-Chef Denner krempelt das Unternehmen weiter um. Jetzt soll die erste Frau in die Geschäftsführung einziehen.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch gilt in vielerlei Hinsicht als Vorreiter. Das Unternehmen will schon von 2020 an komplett klimaneutral produzieren. Auch bei vielen Produkten bewegt sich Bosch an der Weltspitze: Auf dem Globus gibt es kaum ein Auto und kaum ein Handy, in dem nicht irgendein wichtiges Bauteil aus Schwaben steckt. Bosch-Chef Volkmar Denner trimmt das Unternehmen massiv für die Zukunft, indem er etwa die Entwicklung und Fertigung von Dieselmotorkomponenten herunterfährt und die Kompetenz in Künstlicher Intelligenz sowie die Produktion etwa von Laserradarsensoren oder Mikroprozessoren entschlossen ausbaut. Das alles klingt maximal modern - aber in einer Hinsicht stolpert Bosch bislang dem Zeitgeist hoffnungslos hinterher: Die derzeitige Chefetage besteht ausschließlich aus Männern. Bei der jährlichen Bilanzpressekonferenz stehen stets elf (überwiegend ältere) Anzugträger auf dem Podium. Und keine einzige Frau.

Das soll sich jetzt ändern.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat der Aufsichtsrat beschlossen, dass spätestens Ende 2020 "mindestens zehn Prozent" der Geschäftsführung mit Frauen besetzt sein soll. Bei derzeit elf Mitgliedern heißt das, es müssen also noch in diesem Jahr zwei Frauen in das Gremium einrücken. Oder die Geschäftsführung wird auf zehn Personen reduziert, dann reicht eine Frau.

Bislang gab es in der 134-jährigen Firmengeschichte in der obersten Führungsriege noch nie eine Frau. Das ist eine bemerkenswerte Leistung für ein weltweit aktives Unternehmen mit 410 000 Mitarbeitern und 80 Milliarden Euro Umsatz, das von einer erklärtermaßen menschenfreundlichen Stiftung getragen wird und sich Diversität und Gleichberechtigung auf die Fahnen schreibt.

Höchste Zeit also, dass der Hightech-Konzern auch seine Führungsetage umbaut. Zumal die Geschäftsführung ohnehin vor einer größeren Rochade inklusive massiver Verjüngung steht. Denn nicht weniger als fünf der elf Chefs sind älter als 60 Jahre. Und die zwei wichtigsten - Konzernboss Volkmar Denner und sein Stellvertreter Stefan Asenkerschbaumer - sind bereits 63.

Vor allem aber erreicht der Aufsichtsratsvorsitzende Franz Fehrenbach Mitte 2021 die interne Altersgrenze von 72 Jahren. Bis dahin müsste also ein Nachfolger gefunden werden. Zuletzt war es bei Bosch immer so, dass der scheidende Oberaufseher vom bisherigen Vorsitzenden der Geschäftsführung ersetzt wurde. Wenn mit dieser Praxis nicht gebrochen wird, braucht Bosch also spätestens zum 1. Juli nächsten Jahres einen neuen Chef.

Aus Firmenkreisen hört man, dass Denner die Förderung der Frauen wirklich wichtig sei. Unter seiner inzwischen achtjährigen Ägide habe er weibliche Führungskräfte und auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit stark unterstützt. Inzwischen gebe es etwa 30 Frauen, welche die Hierarchie-Ebene direkt unter der Geschäftsführung erreicht haben. Immerhin, loben die einen. Das sind aber weniger als zehn Prozent, kritisieren die anderen.

Wer die erste Frau im Top-Management sein wird, steht noch nicht fest. Das Unternehmen schweigt sich zu diesem Thema intensiv aus. Aber es gibt mehrere aussichtsreiche Kandidatinnen. Zum Beispiel Tanja Rückert. Die promovierte Chemikerin (mit Grundstudium Wirtschaft) war 21 Jahre lang für den Software-Hersteller SAP tätig, zuletzt in führenden Positionen. Seit 2018 ist sie bei Bosch Chefin des Geschäftsbereichs Gebäudetechnik (Building Technologies). Dieser macht knapp zwei Milliarden Euro Umsatz und beschäftigt 9000 Mitarbeiter. Rückert gilt als Expertin des Zukunftsthemas "Internet der Dinge", käme also eher für einen technischen Geschäftsführerposten infrage.

Als künftige oberste Personalchefin wird Filiz Albrecht gehandelt. Sie ist seit Januar 2019 die zweitwichtigste Personalerin im Konzern hinter Arbeitsdirektor Christian Kübel, der ebenfalls schon 60 Jahre alt ist. Filiz Albrecht ist seit 2017 bei Bosch, sie hat bereits Erfahrung als Vorstandsmitglied; beim Autozulieferer Mann+Hummel war sie für das Personalressort verantwortlich.

Sowohl Rückert als auch Albrecht, so hört man aus Aufsichtsratskreisen, hätten das Zeug zum Aufstieg in die "G"-Ebene, wie die oberste Chefetage intern genannt wird. Es könnten aber auch andere Frauen befördert werden, das hängt letztlich auch davon ab, welche Posten frei werden. Das richtige Alter hätten Albrecht und Rückert jedenfalls. Beide sind Ende 40, Anfang 50.

Und wer wird der künftige "G1", wie die Boschianer ihren obersten Boss kurz und knapp nennen? Ein Aufsichtsrat nennt Stefan Hartung, der seit 2019 die Autosparte führt, die mit 47 Milliarden Euro Jahresumsatz der mit Abstand wichtigste Geschäftsbereich ist. Sein Job gilt angesichts der Dieselkrise und der Transformation der Autoindustrie als der schwierigste im Bosch-Management. Sollte er sich weiterhin bewähren, so sagt ein Aufsichtsrat, wäre er als der nächste G1 "designiert". Der Aufsichtsrat tagt wieder im März, da könnte bereits die erste "F1" berufen werden.

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SZ vom 17.01.2020
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