Süddeutsche Zeitung

Autobranche:Was hinter den Rekordzahlen bei BMW steckt

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Der Münchner Autohersteller legt eine gute Bilanz vor, will jedoch gar nicht recht darüber reden. Das liegt nicht nur am ruhigen Stil.

Von Max Hägler

Auf den ersten Blick sieht das aus wie sehr vornehme Zurückhaltung, was BMW da gerade betreibt. Der bayerische Autobauer hat das vergangene Jahr mit großen Zahlen abgeschlossen: Rekordumsatz (111 Milliarden Euro), der Absatz mit 2,5 Millionen Autos der Marken BMW, Mini und Rolls Royce beinahe wieder auf Vorkrisenniveau und der Gewinn unterm Strich: 12,5 Milliarden Euro - gut dreimal so viel wie im Vorjahr und so viel wie noch nie. Doch als der Vorstand um Oliver Zipse an diesem Mittwoch zum Jahresgespräch lädt, fällt das Wort "Rekord" einfach nicht. Selbst auf ganz konkrete Nachfrage hält sich Finanzchef Nicolas Peter bedeckt, spricht davon, dass man an einer "nachhaltigen Entwicklung interessiert" sei und eine "starke Finanzkraft" habe.

Was ist da los im Vierzylinder, wie das BMW-Hauptquartier wegen seiner Architektur genannt wird? Tatsächlich wird man in wenigen Tagen aller Wahrscheinlichkeit nach sehen, wie tönend man ins Jahr starten kann, wenn Elon Musk in Brandenburg die Tesla-Fabrik einweiht. Da wird es heißen: Giga, obwohl noch gar nichts produziert ist.

Nun pflegt man in München schon immer einen anderen Stil. Lieber gut liefern als groß ankündigen ist eine zentrale Prämisse. Bei den Absatzzahlen ist das tatsächlich gelungen - da hat es andere Autokonzerne in der Halbleiter-Krise viel schlimmer getroffen. Nur BMW, Tesla und Toyota kamen ordentlich durch die Krise, während andere Hersteller ihre Produktion um 20 oder gar 30 Prozent zurückfahren mussten. Bei BMW liege das - so sagen es auch harte Konkurrenten - an dem vorausschauenden Einkauf: Etwa hundert der "kritischsten Teile", natürlich auch Computer-Chips, haben sie besonders genau im Blick, haben so früher als andere die Halbleiter-Krise aufziehen sehen. Wahrscheinlich weil diese Organisiertheit nahe am Betriebsgeheimnis ist, stellt Oliver Zipse beim Jahresgespräch besonders auf einen zweiten Faktor ab: Beinahe die Hälfte aller chemischen Grundelemente seien in Halbleitern verbaut. "Es beginnt immer beim Rohstoff", sagt er, übrigens auch bei den E-Auto-Batterien. Und da schaue BMW besonders genau hin, kaufe teilweise selbst direkt ein. "Da merken Sie, wo die Vulnerabilitäten liegen."

Aber wer anderswo genau hinschaut, der versteht, wieso sie bei BMW doch nicht laut jubeln, dass es nicht nur um vornehme Zurückhaltung geht. In den zwölf Milliarden Euro Rekordgewinn etwa stecken sieben Milliarden Euro Sondereffekt, sagt Peter, unter anderem, weil man eine Rückstellung auflösen konnte, die angesichts einer möglichen Kartellstrafe gebildet worden war. Die starken Jahreszahlen kaschieren zudem, darauf weisen Analysten hin, dass Auslieferungen und Umsatz im vierten Quartal 2021 unter dem Vorjahresniveau lagen.

100 000 reine E-Autos hat der Konzern 2021 verkauft

Und schließlich ist da die Marge, also das Verhältnis von Gewinn zu Umsatz. Nimmt man wie üblich die Vorsteuer-Ergebnisse, dann liegt BMW im reinen Autogeschäft bei 10,3 Prozent, es bleiben also durchschnittlich von einem 100 000 Euro teuren Wagen 10 300 Euro Gewinn hängen - wobei das starke China-Geschäft hier fehlt. Audi schafft 10,5 Prozent, obwohl die Münchner einige Hunderttausend Autos mehr verkaufen als die Ingolstädter. Mercedes wiederum verdient 12,4 Prozent. Und Tesla auch 12,1 Prozent - obwohl die US-Konkurrenten nur Elektroautos bauen. Bei BMW heißt es, dass man mit derart angetriebenen Wagen noch nicht so viel verdienen kann, weil die Rohstoffe, gerade die Batterien, so teuer seien. 100 000 rein batterieelektrische Fahrzeuge haben die Münchner im vergangenen Jahr verkauft, darunter erste Exemplare der Modelle i4, des neuen elektrischen Mini oder des SUV iX, der an diesem Tag auf der Bühne steht.

Doch diese Angebote kommen reichlich spät, befindet zumindest Autoanalyst Ferdinand Dudenhöffer: BMW habe sich "zu lange mit Spielereien" wie Brennstoffzellen-Antrieben oder Plug-in-Hybriden aufgehalten und zu wenig auf vollelektrische Wagen gesetzt. Bis BMW die knapp eine Million vollelektrische Fahrzeuge erreicht wie Tesla im vergangenen Jahr, werde es fünf Jahre dauern, prognostiziert der Branchenexperte des Center Automotive Research in Duisburg. Sein Fazit insofern: Rekordzahlen, die eigentlich eher enttäuschen.

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