Süddeutsche Zeitung

BASF:Lob für den Vorstandschef, Sorge um China

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Martin Brudermüller sei ein "Meister der Krise", heißt es auf der Hauptversammlung des Chemiekonzerns. Doch viele Aktionäre beunruhigt das Engagement der BASF in der Volksrepublik.

Von Elisabeth Dostert

Zwei Sachen hat Martin Brudermüller zu seiner letzten Hauptversammlung als Vorstandschef von BASF mitgebracht. Sie sollen den Aktionären veranschaulichen, was der Chemiekonzern macht und wie er sich verändert hat. "Chemie ist überall", ist so einer der Lieblingssätze von Brudermüller. Viele Menschen, also solche, die nicht für BASF arbeiten wollen und schon gar nicht jene, die vielleicht irgendwann mal Vorstandschef werden wollen, verbinden mit Chemie ja eher unangenehme Erinnerungen an ihre Schulzeit. Brudermüller sagt, er habe schon einen Chemiekasten zu Hause gehabt, bevor der Chemieunterricht in der Schule losging.

Die Rede Brudermüllers am Donnerstag in Mannheim ist eine Bilanz des Geschäftsjahres 2023 und ein wenig die Bilanz seines Berufslebens bei BASF; er war ja nie woanders. Deshalb auch die zwei Sachen, technologischer Wandel in zwei Dingen. Vergangenheit und Gegenwart. Aus der rechten Anzugtasche zieht Brudermüller eine weiße Kassette. Babyboomer wie er zeichneten damit früher die Hitparade mit Dieter Thomas Heck auf - oder so was. "Das hier war ein Verkaufsschlager, als ich anfing", sagt Brudermüller. Das war 1988, genau genommen hatte die Kassette da ihre größte Zeit schon sich.

Aus der Innentasche seines Sakkos zieht Brudermüller eine durchsichtige Folie. "Es ist ein technologisches Meisterwerk für die Luftfahrt", so Brudermüller. Unter dem Mikroskop könnte man sehen, dass die Oberfläche einer Haifischhaut nachgeahmt ist, sie soll den Luftwiderstand und damit den Energieverbrauch von Flugzeugen mindern und damit die CO₂-Emissionen. Darum geht es bei BASF: um die grüne Transformation, die eigene und die der Kunden.

Aktionäre, Aktionärsschützer und Fondsmanager loben Brudermüller. "Meister der Krise", könnte über der Ära Brudermüller stehen, sagt Marc Tüngler, Geschäftsführer der DSW, der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Das trifft die Sache. In der Amtszeit Brudermüllers - von 2018 bis heute - gab es viele Krisen: die Pandemie, den Ukrainekrieg, die wachsenden geopolitischen Spannungen, den Energiepreisschock, die hohen Zinsen, die Inflation. Auch in das Jahr 2024 ist BASF schwächer gestartet als im Vorjahr: Im ersten Quartal sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12,2 Prozent auf knapp 17,6 Milliarden Euro, das Ergebnis nach Steuern fast im gleichen Prozentsatz auf gut 1,4 Milliarden Euro. Das teilte der Konzern mit.

Trotz aller Widrigkeiten habe Brudermüller die richtigen Weichen gestellt. Nur könne man heute nicht sehen, was an Erfolgen noch kommen werde, sagt Tüngler. Selten sei die Welt so in Unordnung gewesen und so unvorhersehbar, sagt Brudermüller in seiner Rede. Arne Rautenberg, Fondsmanager von Union Investment, sagt: "Sie übergeben Ihrem Nachfolger jetzt eine Baustelle." Der Standort Ludwigshafen sei für BASF zum Problem geworden, seit es dort kein billiges Gas und keinen günstigen Strom mehr gebe. BASF hat nach eigenen Angaben 2023 überall auf der Welt Geld verdient. Nur am Standort Ludwigshafen habe man große Verluste eingefahren.

Zum Schluss gibt es noch mal eine verbale Abreibung, typisch für Brudermüller

Das Engagement von BASF in China, der neue Verbundstandort Zhanjiang, beschäftigt viele Redner. Was Brudermüller und seinen Nachfolger Markus Kamieth so sicher mache, dass sich die Investitionen in China für die Aktionäre auszahlen werden, fragt Rautenberg. "Die China-Wette ist riskant", sagt Linus Vogel von der Fondsgesellschaft Deka Investment. "Eine zu einseitige Fixierung auf China könnte BASF ähnlich böse überraschen, wie eine zu einseitige Abhängigkeit von russischem Gas", warnt Vogel.

Martin Brudermüller verteidigt das Engagement in China, so wie er es immer getan hat. Für ein profitables Wachstum gehe kein Weg an China vorbei, beteuert er. Und Aufsichtsrat Kurt Bock verteidigt Brudermüller, die Kontrolleure und damit auch sich. In den Gremien sei häufig über China diskutiert worden. "Du hast dieses Thema mit heißem Herz vorangetrieben, aber auch mit kühlem Verstand", sagt Bock. "Das war keine Bauchentscheidungen, es war eine sehr abgewogene Entscheidung, wie sie deinem Naturell entspricht."

Es auch noch mal eine verbale Abreibung, Brudermüller bleibt also Brudermüller. Der deutschen Gesellschaft sei die Tragweite der geo- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen noch immer nicht bewusst, wettert Brudermüller. Sicherheit, Wohlstand und Klimaneutralität gebe es nicht zum Nulltarif. Es brauche einen Mentalitätswechsel weg von der "Vollkasko-Mentalität" hin zu mehr Pragmatismus und mehr Vernunft. "Es geht aber gerade in die falsche Richtung. Partikularinteressen vor Gemeinwohl."

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