Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bahn:GDL kündigt nächsten Streik an

Lesezeit: 3 min

Claus Weselsky macht seine Drohungen wahr: Schon von Dienstagmorgen an sollen die Züge im Personenverkehr stillstehen. Schafft es die Bahn, so schnell einen Notfahrplan aufzustellen?

Von Vivien Timmler, Berlin

Es ist eine Eskalation mit Ansage: Nachdem es am Freitag kurz so ausgesehen hatte, als könnten sich die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) einander annähern, hat die GDL nun erneut zum Streik aufgerufen. Er soll im Personenverkehr am Dienstagmorgen um zwei Uhr beginnen und bis zwei Uhr morgens am Mittwoch dauern. Der Güterverkehr wird ebenfalls für 24 Stunden bestreikt, aber bereits von Montagabend an. Es ist der sechste Ausstand im laufenden Tarifkonflikt.

Damit macht Claus Weselsky seine Drohung wahr und kündigt einen Streik ohne den üblichen Vorlauf von 48 Stunden an. Der GDL-Chef hatte das bereits bei einer Pressekonferenz am vergangenen Montag angedeutet und von "Wellenstreiks" gesprochen, die folgen sollten. Normalerweise kündigt eine Gewerkschaft einen Streik mit 48 Stunden Vorlauf an, damit sich das bestreikte Unternehmen darauf einstellen und - wie im Fall der Bahn - einen Notfahrplan erstellen kann. Dafür bleiben der Bahn dieses Mal nur etwas weniger als 30 Stunden; die Zeit zwischen Ankündigung und Streik im Güterverkehr beträgt sogar nur knapp 22 Stunden.

Die Bahn ist optimistisch, dass sie trotz der kürzeren Ankündigungsfrist einen Notfahrplan aufgestellt bekommt. Bei den vorigen Ausständen des laufenden Tarifkonflikts fuhren stets etwa 20 Prozent aller Fernzüge. Auch dieses Mal will die Bahn "längere Züge mit mehr Sitzplätzen" einsetzen, um ein Grundangebot zu gewährleisten. Der Konzern kündigte jedoch bereits "massive Einschränkungen" im Regionalverkehr an.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat noch am Sonntagabend die GDL und ihren Chef Claus Weselsky hart kritisiert. Streiken statt Verhandeln sei verantwortungslos, so Wissing. "Die GDL muss reden und Kompromisse ausloten. So kann das nicht weitergehen", sagte der Minister. Es müsse dringend ein förmliches Verfahren zur Schlichtung eingeleitet werden. "Herr Weselsky überspannt den Bogen immer weiter."

Eigentlich hatte die Deutsche Bahn die GDL für Montag zu Tarifgesprächen eingeladen. Die GDL machte ihre Teilnahme an den weiteren Verhandlungen jedoch davon abhängig, ob bis Sonntag 18 Uhr ein verbessertes Angebot der Bahn eingehen würde. Die Bahn hat die Vorlage eines solchen Angebots jedoch verweigert und die Frist verstreichen lassen. Nur zwei Stunden später folgte die Reaktion - in Form eines neuen Streiks. Die GDL teilte am Sonntagabend mit, die Deutsche Bahn setze "die Provokation fort und zwingt die GDL unweigerlich und zum Leidwesen der DB-Kunden, die Auseinandersetzung fortzuführen".

Die Deutsche Bahn spricht von einer "blanken Zumutung" für Bahnreisende und Wirtschaft. Der Streik werde sich massiv auf den Bahnbetrieb im Land auswirken.

Allerdings dürfte die neuerliche Eskalation die Bahn nicht allzu sehr überraschen: GDL-Chef Weselsky hatte transparent gemacht, nur im Falle eines neuen Angebots an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Dieses hat die Bahn ihm verweigert - im Wissen um die Konsequenzen. "Wir sind überzeugt, dass uns eine Einigung nur im Dialog am Verhandlungstisch gelingen wird", sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Er ist der Auffassung, es sei in dieser Phase der Verhandlungen "nicht zielführend", "in einen schriftlichen Austausch von Angeboten und Antworten überzugehen".

Die Bahn möchte stattdessen in persönlichen Verhandlungen zu einem Kompromiss kommen, und zwar auf Grundlage eines Papiers, das die Moderatoren im Tarifkonflikt - der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther - erstellt haben; dazu gehört auch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich bis 2028. Die GDL fordert noch eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche für die Schichtarbeiter, nämlich 35 Stunden.

Schon am Freitag hatte Weselsky das von der Bahn vorgeschlagene Verfahren abgelehnt. Der GDL liege "kein neues und verbessertes Angebot vor, welches einen Ausstieg aus den Arbeitskampfmaßnahmen und ein Wiedereinstieg in die Verhandlungen rechtfertigen würde". Die Formulierung "auf Grundlage des Gesamtvorschlages der Moderatoren vom 26. Februar 2024 die Verhandlungen zu Ende zu führen" allein sei noch kein neues Angebot. Weselsky wirft der Bahn vor, "den Konflikt unnötigerweise oder sogar bewusst" zu verschärfen.

Die Bahn hat indes noch eine andere Lösung vorgeschlagen: Der Konzern sei bereit, in eine formale Schlichtung einzutreten, heißt es in einer Mitteilung von Sonntag. Bei einer Schlichtung werden ein bis zwei Personen als neutrale Dritte eingesetzt, um einen Tarifabschluss zu erzielen. Im Gegensatz zu den bereits eingesetzten Moderatoren übernehmen Schlichter wirklich die Verhandlungsführung. Sollten die streitenden Parteien sich nicht einvernehmlich einigen, so steht am Ende einer Schlichtung ein Schlichterspruch. Beide Seiten sind allerdings nicht an einen solchen Schlichterspruch gebunden, sondern können frei entscheiden, ob sie dem Ergebnis zustimmen oder nicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6440958
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.