Süddeutsche Zeitung

Atom-Pläne von Siemens:Im Reich der Verheißung

Neuer Partner in Russland: Siemens verspricht sich viel von der Kernkraft - vielleicht zu viel. Denn eine echte Renaissance der Atomenergie ist nicht in Sicht.

Michael Bauchmüller

Die Nachrichten aus dem weiten Reich der Kernkraft sind eine einzige Verheißung. Großbritannien, Schweden, Italien, sie alle liebäugeln mit neuen Reaktoren. In den Neunzigern schien die große Atom-Euphorie abzuklingen, jetzt erlebt sie einen ungeahnten Aufschwung. Neue Reaktortypen sind entwickelt, der Kampf gegen den Klimawandel begünstigt ihre Kohlendioxid-arme Stromerzeugung. Alles scheint wie gemacht zu sein für die Renaissance der Kernkraft.

Auch Siemens hat die Botschaft vernommen, der Konzern will mit dem neuen Partner Rosatom zurückkehren ins operative Atom-Geschäft. Nur versprechen sich die Münchner womöglich zu viel davon. Denn wie viele Kernkraftwerke tatsächlich neu errichtet werden, steht derzeit in den Sternen.

Schwierige Finanzierung

In London und Stockholm verbanden die Regierungen ihre Rückkehr zur Kernkraft mit einer klaren Aussage: Subventionen, auch verdeckte, soll es nicht mehr geben. In Berlusconis Italien mag es den Willen geben zum Neubau, Standorte dagegen gibt es nicht - und die werden sich angesichts öffentlicher Widerstände auch nicht so rasch finden. Ganz abgesehen davon ist die Finanzierung der milliardenschweren Projekte schwieriger denn je.

Die Wahrheit ist: In den nächsten Jahren werden mehr alte Reaktoren abgeschaltet, als neue gebaut werden. Der Anteil der Kernkraft an der weltweiten Energieerzeugung wird sinken, nicht steigen.

Das heißt nicht, dass Siemens kein Geschäft machen wird. Die Versorgung mit Brennstoff, die Entsorgung atomarer Abfälle, die Digitalisierung der herkömmlichen Leittechnik, all das verspricht in den nächsten Jahren gute Aufträge. Aber eine große, echte Renaissance der Kernkraft, die ist nicht in Sicht.

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Quelle:
SZ vom 04.03.2009/tob
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