Siemens: Atom-Pläne:Moskauer Allianz

Siemens drängt auf den russischen Atommarkt. Ministerpräsident Putin tönt bereits: Die Zeit sei reif für eine "vollwertige Partnerschaft". Doch die deutsche Regierung ist skeptisch.

S. Zekri und F. Nienhuysen

Der Siemens-Konzern und die russische Atombehörde Rosatom planen eine strategische Atomenergieallianz. Die Zeit sei reif für eine "vollwertige Partnerschaft" zwischen Rosatom und Siemens, sagte der russische Premier Wladimir Putin am Dienstag in Moskau. Seine Regierung werde die Verwirklichung gemeinsamer Projekte unterstützen. "Buchstäblich morgen" werde eine gemeinsame Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufnehmen, um in kürzester Zeit erste Vorschläge vorzulegen, ergänzte Rosatom-Chef Sergej Kirijenko. Siemens-Chef Peter Löscher erwartet konkrete Ergebnisse bis spätestens Ende April.

Siemens: Atom-Pläne: Atomkraftwerk in Biblis: Siemens drängt auf den russischen Atommarkt. Der Konzern hat bereits zum ersten Mal eine Vorstandssitzung außerhalb Deutschlands einberufen - in Moskau.

Atomkraftwerk in Biblis: Siemens drängt auf den russischen Atommarkt. Der Konzern hat bereits zum ersten Mal eine Vorstandssitzung außerhalb Deutschlands einberufen - in Moskau.

(Foto: Foto: ddp)

Vor einer Woche hatte Siemens den Ausstieg aus der Allianz mit dem französischen Atomkonzern Areva NP bekannt gegeben. Danach waren Mutmaßungen über einen Einstieg des Konzerns in die russische Atomindustrie laut geworden.

Vorstandssitzung in Moskau

Nach gemeinsamen erfolgreichen Projekten wie etwa dem Kraftwerk im bulgarischen Belene sei nun die Zeit gekommen für eine strategische Partnerschaft, so Kirijenko. Siemens sei "hochintegriert" im High-Tech-Bereich und bringe wertvolle Erfahrungen mit. Rosatom betrachte die geplante Allianz als "einmalige Gelegenheit", zumal im Moment eine "Renaissance der Kernkraft" zu beobachten sei. Krisenzeiten wie die jetzige seien zudem naturgemäß nur eine Ruhephase zwischen zwei Wachstumsphasen. Durch die geplante Kooperation könnten beide Konzerne sich vorbereiten, um die nächste Etappe "in sportlicher Bestform" zu nehmen.

Die Siemens-Führung hielt am Montag und Dienstag ihre Vorstandssitzung zum ersten Mal außerhalb Deutschlands ab - demonstrativ in Moskau. In Zeiten der Krise habe man ein Zeichen setzen wollen, sagte Löscher. Er bedankte sich für das Vertrauen der russischen Regierung auf dem "strategisch wichtigen Bereich" der Kernenergie: "Für uns ist das eine große Ehre." Siemens beschäftigt mehr als 3000 Arbeitnehmer in Russland. Derzeit baut der Konzern den ersten russischen Hochgeschwindigkeitszug "Sapsan" (Wanderfalke), der auf der Strecke zwischen Sankt Petersburg und Moskau eingesetzt werden soll.

Russland ist mit 31 Kraftwerken einer der größten Produzenten von Atomstrom und einer der größten Exporteure von Atomkraftwerken. Bis 2015 will Moskau mindestens zehn neue Atomkraftwerke ans Netz bringen und den Bau zehn weiterer beginnen. Außerdem will es pro Jahr mindestens zwei Kraftwerke exportieren. Die zivile Nutzung der Atomkraft war zu Sowjetzeiten ein Nebenprodukt der militärischen Forschung, aber dennoch vergleichsweise weit fortgeschritten. Inzwischen aber ist das Personal überaltert und die Technologie überholt.

Bedenken bei der Regierung

Nach dem angekündigten Ausstieg beim französischen Atomkonzern Areva hatte Siemens eine Zusammenarbeit mit Russland ins Gespräch gebracht. Rosatom ist für den kompletten Nuklearbereich Russlands zuständig, für den zivilen Sektor ist Atomenergoprom verantwortlich. Als 100-prozentige Staatsholding umfasst Atomenergoprom mehr als 90 Unternehmen, darunter auch das wichtige Atomstrojexport, das für den Bau von Atomanlagen im Ausland verantwortlich ist. Atomstrojexport arbeitet bereits mit Siemens in Bulgarien zusammen, wo in der Nähe der rumänischen Grenze das Kernkraftwerk Belene entstehen soll. Russland verfolgt das Ziel, durch den Ausbau der Kraftwerke den Anteil des Gases an der Stromerzeugung zu senken. Stattdessen könnte das Gas für den Export in die Europäische Union verwendet werden.

Die Bundesregierung hatte nach einem Bericht des Magazins Spiegel Bedenken gegen eine Zusammenarbeit von Siemens mit russischen Atomunternehmen geäußert. Das Know-how der Russen sei "nicht auf dem letzten Stand der Technik". Ein westlicher Atomenergie-Experte, der nicht genannt werden wollte, sagte der Süddeutschen Zeitung hingegen, "es gibt keinen Zweifel daran, dass Russland in der Lage ist, beim Bau von Atomkraftwerken eine Technik anzubieten, die internationalen Standards entspricht." Es gebe kein Teilgebiet, in dem Russland eklatante Schwächen habe.

Derzeit werden mit Hilfe von Atomstrojexport außer in Bulgarien noch Kraftwerke in China, Indien und der umstrittene Meiler Buscher in Iran errichtet. Kürzlich erhielt das russische Unternehmen auch noch den Auftrag zum Bau eines Atomkraftwerkes in Weißrussland, dem ersten des Landes. Der Atomexperte räumte allerdings ein, dass in Russland noch eine Reihe von Leichtwasser-Reaktoren altsowjetischer Bauart in Betrieb seien, "die in Deutschland sicher nicht mehr genehmigt würden".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: