Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt:Das geplante Wunder

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Eine Zahl mit Signalwirkung: Im Mai gab es weniger als drei Millionen Arbeitslose in Deutschland - die gute Konjunktur wirkt sich aus.

Thomas Öchsner

Der Job-Boom in Deutschland geht weiter. Erstmals seit November 2010 ist die Zahl der Arbeitslosen im Mai unter drei Millionen gefallen. 2,96 Millionen waren auf Jobsuche - das ist der niedrigste Wert in diesem Monat seit 1992.

Der Konjunkturaufschwung verlor aber etwas an Tempo. Die Zahl der Erwerbslosen sank um 118.000, das ist deutlich weniger als im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre. Die Bundesagentur für Arbeit (BA), die die Zahlen in Nürnberg vorstellte, führt dies darauf zurück, dass der Frühjahrsaufschwung auch wegen des schönes Wetters bereits früher begonnen hat, als dies sonst der Fall ist.

Nach Angaben der BA sank die Arbeitslosigkeit in allen Bundesländern. Bundesweit liegt die Quote nun bei 7,0 Prozent, es gibt aber erhebliche regionale Unterschiede. Bayern führt die Rangliste mit einer Erwerbslosenquote von 3,6 Prozent an. Schlusslichter sind Mecklenburg-Vorpommern mit 12,4 und Berlin mit 13,6 Prozent. Beim Abbau der Arbeitslosigkeit sei deshalb "noch eine Menge möglich", sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt. Von Vollbeschäftigung will er erst bei 1,5 Millionen Jobsuchenden reden.

Auffällig sind zwei Phänomene auf dem Arbeitsmarkt: Vom Konjunkturboom profitierten die Kurzzeit-Jobsucher, die Arbeitslosengeld I beziehen, besonders stark. Ihre Zahl schrumpfte im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent, die der Hartz-IV-Empfänger ging dagegen nur um vier Prozent zurück. Hier setzt auch die Kritik der Opposition und der Sozialverbände an.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, warnte davor, bei der Arbeitsmarktförderung zu kürzen und so Tausende Arbeitsplätze bei den Trägern von Förderangeboten zu gefährden. Er warf der Bundesregierung vor, sich einseitig auf die "schnelle Vermittlung schnell Vermittelbarer" zu konzentrieren.

"Gefahr eines gespaltenes Arbeitsmarktes"

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, sagte: "Wir kritisieren vor allem, dass Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen genau in dem Moment, wo man für die Langzeitarbeitslosen mehr tun müsste, die Programme kürzt". Und SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil warnte: "Nach wie vor besteht die Gefahr eines gespaltenes Arbeitsmarktes mit verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit auf der einen und partiellen Fachkräftemangel auf der anderen Seite."

Die Bundesagentur wies dagegen darauf hin, dass sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die länger als ein Jahr auf Jobsuche sind, seit Mai 2010 um mehr als 73.000 auf 889.000 verringert hat. Ministerin von der Leyen sagte, die Regierung müsse nun die Chance nutzen, Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, statt weiter unbegrenzt auf öffentlich geförderte Jobs zu setzen. "Der deutsche Arbeitsmarkt ist topfit", sagte die CDU-Politikerin.

Das zweite Phänomen ist die sogenannte "Unterbeschäftigung". Sie ist mit etwa 4,2 Millionen nach wie vor hoch. Auf diese Arbeitslosenzahl kommen die Statistiker, wenn sie zu den knapp drei Millionen noch die zählen, die auf Jobsuche sind, aber eine Arbeitsmaßnahme absolvieren oder aus anderen Gründen in der Statistik nicht auftauchen.

"Es tröpfelt etwas"

Die Nürnberger BA rechnet nun damit, dass die offizielle Drei-Millionen-Marke, wenn überhaupt, erst wieder im Dezember überschritten wird. Schon in den Sommerferien im Juli und August dürfte die Zahl der Jobsucher allerdings wieder zulegen. Dass seit 1. Mai Arbeitnehmer auch aus acht mittel- und osteuropäischen EU-Ländern ohne staatliche Beschränkungen nach Deutschland kommen können, wirkt sich bislang kaum aus.

"Es gibt keinen großen Zustrom, es tröpfelt etwas", sagte BA-Vorstandmitglied Raimund Becker. Dies zeigten auch Umfragen bei grenznahen Arbeitsagenturen. Bei der Vermittlung erwiesen sich Sprachbarrieren immer wieder als große Hürde.

Sein Kollege Alt sieht den Atomausstieg aber "optimistisch", ohne dabei in Euphorie ausbrechen zu wollen. Steigende Strompreise und eine mögliche Abwanderung von energieintensiven Betrieben könnten sich negativ auswirken, andererseits würden wegen der Investitionen in regenerative Energien viele neue Jobs entstehen. In den vergangenen Jahren habe sich die Zahl der Beschäftigten in der Branche bereits von 160.000 auf 360.000 erhöht.

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Quelle:
SZ vom 01.06.2011
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