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Anordnung von Putin:Empörung in Russland über Lebensmittel-Vernichtung

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Joghurt aus Deutschland, Rotwein aus Italien oder Käse aus Frankreich: Der russische Präsident Wladimir Putin hat angeordnet, dass Hunderte Tonnen vom Zoll entdeckter Lebensmittel aus dem Westen verbrannt werden. Ein entsprechender Erlass trat am Donnerstag in Kraft. Mit dem umstrittenen Erlass reagiert der Kreml auf die illegale Einfuhr von Nahrung aus der EU und den USA. Das Importverbot ist eine Reaktion auf Sanktionen des Westens gegen Russland in der Ukraine-Krise.

Im ganzen Land berichtete die Agraraufsicht von Früchten und Käse, die tonnenweise vernichtet wurden. Eine Welle der Empörung ist die Folge. Shaun Walker, Moskau-Korrespondent der britischen Tageszeitung Guardian, verbreitete per Twitter Bilder von Käse auf Mülldeponien, die das Resultat der Putin-Order sein sollen.

Wut über Putin-Anordnung

Auf der Kampagnenplattform change.org riefen allein am Mittwoch mehr als 200 000 Unterzeichner dazu auf, die Lebensmittel besser an Bedürftige zu verteilen. "Warum sollten wir Nahrungsmittel zerstören, die an Kriegsveteranen, Rentner, Behinderte, Großfamilien oder Opfer von Naturkatastrophen verteilt werden können?" So lautet die Frage auf change.org, die an Putin und seine Regierung geschickt werden soll.

Die vom Zoll beschlagnahmten Lebensmittel sollten dazu verwendet werden, die unter den wegen des Einfuhrverbots gestiegenen Preisen leidende Bevölkerung zu entschädigen, lautet die Forderung.

Kritik selbst von Regierungstreuen

Regierungssprecher Dmitri Peskow sah sich zu einer Reaktion genötigt. Er stellte vor Journalisten in Moskau den Wert der Petition in Frage - die Unterzeichner würden nicht "nachvollziehbar identifiziert". Doch viele Kritiker der Aktion haben dies sehr wohl öffentlich getan. Unter ihnen ist der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Gennadi Sjuganow, der die Zerstörung von Lebensmitteln eine "extreme Maßnahme" nannte. Er schlug vor, die Nahrungsmittel der Orthodoxen Kirche zu geben, sie an Kinder- und Waisenheime zu verteilen. Auch "unsere Freunde in Donezk und Lugansk" in den von Russland besetzten Regionen in der Ost-Ukraine könnten die Lebensmittel brauchen.

Der Fernsehmoderator Wladimir Solowjow, normalerweise ein Freund der Regierung, schrieb auf Twitter, er könne nicht verstehen, dass ein Land, "das durch den grausamen Hunger während des Krieges und die schrecklichen Jahre nach der Revolution ging", Lebensmittel zerstören könne. Der Verbraucheranwalt Alischer Sachidow mahnte im Radiosender Kommersant FM, die Regierung solle auf die 18 Millionen Menschen schauen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. "Diese Menschen brauchen das Fleisch."

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SZ/AFP/dpa/jasch
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