Süddeutsche Zeitung

Allianz:Gute Geschichte gesucht

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Der Versicherer will Konkurrenten übernehmen. In zehn Tagen muss Konzernchef Bäte den Anlegern sagen, ob er ein lohnendes Übernahmeziel gefunden hat, für das er bis zu drei Milliarden Euro ausgeben wird. Ansonsten greift Plan B.

Von Herbert Fromme, Köln

Viel Zeit bleibt nicht. Am 17. Februar legt Allianz-Chef Oliver Bäte die Ergebnisse für das Jahr 2016 vor. In zehn Tagen muss er den Investoren sagen, mit welcher Dividende sie für das vergangene Jahr rechnen können - und ob er ein lohnendes Übernahmeziel gefunden hat, für das er drei Milliarden Euro ausgeben wird.

Andernfalls, das hat Bäte versprochen, wird er das Geld für einen Aktienrückkauf nutzen, also den Aktionären zurückgeben.

Seit Wochen ist der Konzern wegen angeblicher Übernahmepläne in den Schlagzeilen. In Italien hat die größte Bank Intesa Sanpaolo mitgeteilt, sie prüfe die Übernahme des größten Versicherers Generali. Noch gibt es ein solches Angebot nicht. Doch in den Spekulationen spielt die Allianz eine große Rolle. Sie soll nach einer Übernahme der Generali durch die Bank Teile des Versicherungskonzerns außerhalb Italiens und Deutschland übernehmen, so wird vermutet. Die Allianz kommentiert das wie üblich nicht.

Wenige Tage nach den ersten Mutmaßungen über Generali, Intesa und Allianz ist die Münchener Gesellschaft erneut in den Schlagzeilen. Konzernchef Oliver Bäte will den australischen Versicherer QBE übernehmen, melden Australian Financial Review und Handelsblatt. Er habe in informellen Gesprächen mit QBE-Chef John Neal sogar 14 Milliarden Euro geboten. QBE dementiert, dass es Gespräche gibt.

Allerdings: Dass die Allianz eine Großübernahme sucht, bestreitet auch Bäte nicht. Im SZ-Interview hat er vor drei Wochen über entsprechende Pläne gesprochen. "Uns würde nur eine größere Übernahme helfen", sagte er.

Dabei sind die drei Milliarden Euro, die der Konzern im Moment für Übernahmen bereitgestellt hat, nicht das Limit. Die Allianz könnte sich auch einen Zukauf für 30 Milliarden Euro und mehr leisten. Da zählen die 160 Millionen Euro kaum, die der Konzern gerade in Irland ausgibt, um bei der dortigen Tochtergesellschaft die Minderheitsaktionäre herauszukaufen.

Es gibt gute Gründe für Zusammenschlüsse und Übernahmen - auch für die Allianz. Da sind die neuen Eigenkapitalregeln Solvency II. Größere Einheiten können ihr Kapital ökonomischer einsetzen. Dazu kommen die immensen Kosten für den anstehenden digitalen Umbau, es ergibt Sinn, sie auf mehr Umsatz zu verteilen. Und: Große Kunden aus der Industrie wie Daimler oder Uber, die in vielen Ländern agieren, wollen ihre Versicherung aus einer Hand. Globale Präsenz ist Pflicht.

Schließlich müssen die Versicherer damit rechnen, dass die Internetkonzerne Amazon, Google oder Facebook den Schatz an Daten über ihre Nutzer schon bald auch im Finanzsektor ausspielen und der Welt voll digitale, maßgeschneiderte Angebote für Bank- und Versicherungsdienstleistungen anbieten. Dagegen können nur starke traditionelle Anbieter bestehen.

Damit die Investoren der Branche gewogen bleiben, muss man sie bei Laune halten

Dabei sind aus einer internationalen Perspektive selbst die größten europäischen Versicherungskonzerne vergleichsweise klein. Weltweit nahmen Versicherer 2015 etwa 4,5 Billionen Dollar (4,2 Billionen Euro) an Prämien ein. Die Allianz kam auf 125 Milliarden Euro Umsatz, das sind rund drei Prozent. Bei Generali, Axa oder Zurich ist es ähnlich. Zum Vergleich: VW hat einen Marktanteil von etwa 13 Prozent an der globalen Automobilproduktion. Da ist bei den Versicherern Luft nach oben.

Konzernchef Bäte hat außerdem ganz eigene Gründe, eine Übernahme zu suchen: Er kämpft um das Vertrauen der Anleger. Das Geschäftsmodell der Versicherer gilt nicht als besonders attraktiv, Bäte braucht dringend eine gute Börsenstory.

Die Allianz ist an der Börse rund 72 Milliarden Euro wert. Die Google-Muttergesellschaft Alphabet wird mit 522 Milliarden Euro bewertet, dem Siebenfachen Wert des Versicherers. Alphabet macht weniger Umsatz als das Münchener Unternehmen, hat jedoch einen doppelt so hohen Gewinn. Aber das ist nicht der Hauptgrund für die großen Unterschiede in der Gunst der Anleger. Beim Internetkonzern Alphabet/Google haben sie hohe Erwartungen an das Geschäftsmodell und seine Zukunft - beim Versicherer Allianz nicht.

Damit die Anleger überhaupt der Branche gewogen bleiben, müssen alle großen Versicherer sie mit hohen Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen bei Laune halten. 2015 machte Bäte den Investoren ein folgenschweres Versprechen: Von 2016 bis 2018 soll der Gewinn pro Aktie jährlich um fünf Prozent wachsen. Das ist angesichts von Niedrigzinsen, hohem Aufwand für die Digitalisierung und globalen Turbulenzen an den Kapitalmärkten eine sehr anspruchsvolle selbst gesetzte Aufgabe.

Eine Großübernahme könnte das erleichtern, wenn sie unmittelbar gewinnbringend wäre. Aber möglicherweise kann Bäte das Versprechen auch wegfusionieren. Eine Großübernahme ändert alles und erfordert eine ganz neue Strategie, die alten Werte und Zusagen gelten nicht mehr. So könnte der Allianz-Chef elegant begründen, warum er die fünf Prozent Gewinnwachstum doch nicht einhalten kann. Andere Konzerne haben das vorgemacht.

Bislang ist offen, ob die Generali-Aktion doch noch zum Erfolg führt oder sich die australische QBE kaufen lässt. Das alles kann auch nach dem 17. Februar 2017 geschehen, dann stellt die Allianz eben eine neue Summe fü rÜbernahmen bereit. Spekuliert wird bei Analysten gern über eine mögliche Übernahme des Versicherers Zurich. Die Schweizer sind in Europa groß, aber nicht zu groß - kartellrechtlich wären kaum Bedenken zu erwarten. Außerdem sind sie in Geschäftsbereichen in den USA aktiv, die gut zur Allianz passen würden.

Kündigt Bäte eine Übernahme an, wird er zunächst auf Widerstand bei Investoren und Aktienanalysten stoßen, die Angst um die hohe Dividende und die Aktienrückkäufe haben. Mittelfristig aber kann sich ein solcher Schritt auszahlen: Die Allianz wird Konsolidierer der Branche und setzt sich an die Spitze der Digitalisierungsbewegung. Das klingt für Anleger sehr viel attraktiver als nur ein langweiliger Versicherungskonzern unter mehreren zu sein. Eine Großübernahme der Allianz ist sehr wahrscheinlich.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2017
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