Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Auf nachhaltigere Flüge dürften die Menschen noch länger warten

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Die Flugindustrie stelle sich nicht schnell genug auf umweltverträglichere Technologien um, warnt Airbus-Chef Guillaume Faury. Das liegt an Boeing.

Von Jens Flottau

Es ist erst ein gutes Jahr her, da hat Airbus seine Vision für die Zukunft präsentiert. ZEROe nennt der Luftfahrtkonzern sein Projekt für ein mit Wasserstoff angetriebenes Passagierflugzeug. 2035 soll es ausgeliefert werden und die technologische Basis für künftige Maschinen darstellen. Für Airbus ist das Projekt das Symbol schlechthin für die Bemühungen, die Luftfahrt umweltverträglicher zu machen und ihre künftige Existenz zu sichern.

Die Aufbruchstimmung hat mittlerweile sehr gelitten. Airbus-Chef Guillaume Faury warnte bei einer Veranstaltung des Unternehmens, das Projekt könne sich um mehrere Jahre verzögern. Zumindest, wenn nicht sichergestellt sei, dass es 2035 genügend Wasserstoff geben werde, um Linienflüge mit dem ZEROe-Flugzeug zu garantieren. "Die Industrie bewegt sich nicht schnell genug", sagte Faury. Die Ambitionen seien noch nicht durch Handeln unterlegt. Dabei sei die Zeit für Ausreden vorbei: "Jetzt ist die Zeit, zu handeln."

Die Luftfahrt setzt, wenn es um die Transformation zu nachhaltigerem Fliegen geht, auf mehrere Ansätze. Mittel- und langfristig sollen nachhaltige Kraftstoffe, die mithilfe von Biomasse oder grünem Wasserstoff hergestellt werden, einen großen Teil des schädlichen Klimaeffekts reduzieren. Sie machen rund zwei Drittel der Reduktion aus, die sich der Sektor bis 2050 vorgenommen hat, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Wasserstoff wird anfangs nur eine sehr geringe Rolle spielen, gilt aber langfristig, vor allem nach 2050, als sehr erfolgsversprechend.

Kurzfristig allerdings bremst die massive Schwäche Boeings schnelle Initiativen aus. Boeing hat gerade angekündigt, kein neues Kurz- und Mittelstreckenflugzeug vor 2030 zu starten, es wäre dann voraussichtlich erst gegen Ende der 2030er Jahre bereit. In der Folge, und weil es mehr als 6000 Bestellungen für die A320neo-Familie gibt, hat Airbus keinen wirtschaftlichen Druck, selbst ein neues Programm aufzulegen. Ganz im Gegenteil: Die Triebwerkshersteller haben keine Gelegenheit, neue Motoren, die sie entwickeln könnten, an einem neuen Flugzeug unterzubringen. Die Branche könnte also weiter Zeit verlieren.

"Die Geschwindigkeit ist nicht ansatzweise schnell genug"

Die Luftfahrt mache zwar Schritte in die richtige Richtung, so Fred Krupp, Chef des amerikanischen Umweltverbandes Environmental Defense Fund (EDF). "Aber die Geschwindigkeit ist nicht ansatzweise schnell genug." Krupp warnte, dass Wasserstoff und nachhaltige Kraftstoffe zwar im Prinzip sinnvolle Ansätze seien. Es komme aber sehr darauf an, dass sie im Detail gut umgesetzt würden. Nachhaltiges Flugbenzin dürfe nicht auf Kosten von Nahrung produziert werden und nicht zu Entwaldung und weniger Biodiversität führen. Deswegen sei das Potenzial auf der Basis von Biomasse begrenzt. Vielversprechender sei Bio-Kerosin auf der Basis von grünem Wasserstoff. Allerdings steht die Technologie hier erst am Anfang, die Produktion ist zudem sehr teuer.

Wasserstoff zu nutzen, ist ebenfalls nicht so unproblematisch, wie viele in der Luftfahrt glauben wollen. Krupp verwies darauf, dass es derzeit technisch noch nicht möglich sei, zu messen, wie sehr Wasserstoff, ein besonders kleines Molekül, auch aus den am besten abgedichteten Tanks ungewollt ausströme. So ein Leck könnte aber den Treibhauseffekt befördern. Airbus-Technologiechefin Sabine Klauke räumte ein, das Problem sei neu aufgetaucht. Es gebe aber technische Möglichkeiten, es in den Griff zu bekommen.

Für das ZEROe-Wasserstoffflugzeug hatte Airbus ursprünglich drei unterschiedliche Konzepte vorgestellt: ein Regionalflugzeug mit bis zu 100 Sitzen, eine Maschine ungefähr in der Größe der derzeitigen A320neo mit Wasserstofftanks im Rumpf und einen Nurflügler, bei dem das traditionelle Konzept eines Rumpfes mit Tragflächen aufgegeben wird. Doch ZEROe-Chef Glenn Llewellyn hat die revolutionäre Idee nun vom Tisch genommen: Auf Wasserstoff umzustellen und eine komplett neue Konfiguration in einem Schritt einzuführen, sei "zu viel".

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