Süddeutsche Zeitung

375 Millionen Euro teurer Gesetzesvorschlag:Herr Spahn fragt nur die Apotheker

Lesezeit: 2 min

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Die Lobbyorganisationen der Apotheker hatten offenbar einen deutlich größeren Einfluss auf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als andere Vertreter des Gesundheitswesens. Im Zusammenhang mit seinem Vorschlag für ein neues Apothekengesetz, den Spahn Mitte Dezember der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, "gab es insgesamt elf Termine von Vertretern der Leitungsebene des Bundesministeriums für Gesundheit mit Vertretern der Apothekerverbände", heißt es in einer Antwort des Hauses auf eine schriftliche Frage der Grünen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt - aber kein einziges dokumentiertes Treffen mit anderen betroffenen Akteuren wie beispielsweise den Krankenkassen.

Dabei stellt Spahn den Apothekern mit seinen Eckpunkten zur "Stärkung der flächendeckenden Versorgung" viel Geld in Aussicht. Insgesamt 375 Millionen Euro zusätzlich sollen Apotheken demnach für Nacht- und Notdienste, die Abgabe von Betäubungsmitteln und für "zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen" bekommen. Künftig sollen die Pharmazeuten also Geld erhalten, wenn sie ihren Kunden etwa Medikamentenpläne erstellen.

Die hohe Summe ist als eine Art Trostpflaster zu verstehen

Bezahlen werden für diese Finanzspritze die gesetzlichen Krankenkassen. Deren Spitzenverband steht den Apothekern deshalb äußerst skeptisch gegenüber. "In der politischen Diskussion der letzten Jahre standen vor allem Honorarforderungen der Apothekerschaft und weniger die Verbesserung der Patientenversorgung im Vordergrund", heißt es in einem Positionspapier der Kassen von 2018.

Die hohe Summe, die Spahn den Apotheken in Aussicht stellt, ist als eine Art Trostpflaster zu verstehen. Denn in seinen Eckpunkten rückt der Minister auch von einem Versprechen ab, das sein Vorgänger Hermann Gröhe (CDU) noch in den Koalitionsvertrag geschrieben hatte: Das Verbot eines Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die niedergelassenen Apotheker in Deutschland fühlen sich von ausländischen Medikamentenhändlern wie DocMorris bedroht, die den Kunden neben Tabletten frei Haus auch noch Bonuszahlungen versprechen. Spahn will diesen Versand künftig doch erlauben, aber die Höhe der Boni auf 2,50 Euro pro Packung begrenzen.

Apotheker wünschen sich mehr

Nachdem die Lobbyisten der Apotheker bereits mit Spitzenleuten des Gesundheitsministeriums über diese neue Regelung beraten hatten, trafen sich die Mitglieder der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände am vergangenen Donnerstag in Berlin, um über die Vorschläge zu diskutieren. Heraus kam ein neuer Forderungskatalog. Die Boni der Konkurrenz solle der Minister ganz verbieten. Falls er das nicht tue, werde man wieder auf das Versandhandelsverbot pochen, heißt es in dem Beschluss.

Eine recht unverhohlene Drohung, könnte man meinen. Spahn jedoch begrüßt den Beschluss der Apotheker: "Das ist ein wichtiger Schritt", twittert er. Schließlich sei das Versandhandelsverbot nun nicht mehr "zwingend" für die Pharmazeuten. Egal, wie viel Geld sie auch fordern, für Spahn ist ihre Kompromissbereitschaft eine gute Nachricht. Die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche kritisiert diese Haltung: "Solange Jens Spahn Politik für nur einzelne Interessenvertretungen und Verbandsfunktionäre macht, oder es besser gesagt versucht, bleiben die eigentlichen Probleme der Apothekenversorgung auf der Strecke", sagt sie.

Korrektur: In einer früheren Version hieß es, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände fordere 120 Millionen Euro zusätzlich.

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SZ vom 21.01.2019
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