Süddeutsche Zeitung

Naketano:Wie eine Modefirma Sexismus verbreitet

Lesezeit: 3 min

Der Streetware-Hersteller Naketano verzichtet auf tierische Materialien, findet Rape Culture aber offenbar witzig - und niemanden scheint es zu kümmern.

Von Anna Fischhaber

Von der "Monsterbumserin" bis zur "Dirty Bitch Yeah". Was nach pubertärem Schülergerede klingt, sind die Namen der Damenkollektion von "Naketano". Die Firma aus Essen macht hippe Streetwear, vor allem bunte Hoodies mit hohem Kragen und dicker Kordel, die zum Jute-Beutel und Berlin-Mitte passen. Das Gewissen wird gleich mit bedient: Naketano verzichtet bewusst auf alle tierischen Materialien wie Leder.

Doch wie passt das mit den - vorsichtig gesagt - geschmacklosen Artikelnamen zusammen? Die Firma setzt auf eine junge Zielgruppe. "Die findet es vielleicht sogar witzig, dass die so auf die Kacke hauen - und sich nicht nur mit ihren veganen Produkten, sondern auch mit den Namen bewusst von der Masse abgrenzen", glaubt Mark Leiblein, der in München eine Namensfindungsagentur betreibt. Firmen, die wenig Geld für Werbung ausgeben wollen, würden oft auf Provokation setzen. "Wer bewusst einen Shitstorm produziert, fällt auf. Das funktioniert immer wieder", sagt er. "Die Leute sprechen darüber. Vor allem im Netz."

Sex sells. Provokation sowieso. Das ist nicht neu. Wie gut Fäkalhumor in unserer Welt, die eigentlich schon alles gesehen hat, immer noch funktioniert, hat gerade ein Smoothie-Hersteller vorgemacht. Plakate mit Sprüchen wie "Oralverzehr: Schneller kommst Du nicht zum Samengenuss" sorgten für Aufsehen. Manche Städte wollten sie sogar entschärft sehen. Der Firma war das recht: Sie ließ "zensiert" über die Sprüche pinseln - und fiel noch mehr auf. Angst, so Kunden zu vergraulen, hat Mitgründer Nicolas Lecloux offenbar nicht: "Für eine Marke ist es wichtig, dass sie Profil hat. Wir nehmen daher auch in Kauf, von einigen nicht gemocht zu werden." Noch weiter ging eine Modekette, die mit einem "Rape us now"-Button samt räkelnder junger Frau ihren Schlussverkauf bewarb - und sich nach dem unvermeidlichen Protest öffentlich entschuldigte.

Ein ziemlich fragwürdiges Frauenbild

Naketano setzt dagegen lieber auf verstecktere Botschaften. Auf das gute Gefühl aufzufallen, ohne anzuecken. Um auf die Produktnamen der Modefirma zu stoßen, muss man schon genau hinsehen. Die "ominöse Möse" prangt schließlich nicht als T-Shirt-Aufdruck quer über dem Bierbauch, sondern versteckt sich im Kleingedruckten im Etikett. Immerhin: Auf ihrer Homepage bewirbt das Unternehmen die Produkte offen. Bei vielen kommt das allerdings nicht an: Bei den meisten großen Anbietern heißen die Artikel im Online-Shop einfach nur "Sweatjacke - indigo blue melange" oder "Parka - dark blue". Damit auch ja kein möglicher Kunde vergrault wird.

Denn während sich der Smoothie-Hersteller mit pubertären Witzen begnügt, haben es die Namen von Naketano durchaus in sich. Über die Titel der Herrenmode, die die eigene Mitte feiern, kann man vielleicht noch müde lächeln, die Damenmode allerdings transportiert ein ziemlich fragwürdiges Frauenbild: Erniedrigung ist offenbar witzig ("Blasinstrument"), Prostitution sowieso ("Dreisisch Euro Swansisch minut"), manche Produkte lassen sogar an Vergewaltigung ("Gespreizt wie Gereizt") denken.

Was sie mit solchen Namen bezwecken wollen, führen die Essener Designer lieber nicht aus: Die Anfrage der SZ wird - wie schon frühere Anfragen anderer Medien - mit einem Verweis auf das FAQ beantwortet. Dort heißt es unter dem Punkt: "Feedback zu unseren Artikelnamen" nur ganz nüchtern: "Es soll sich durch unsere Produktnamen niemand vor den Kopf gestoßen fühlen. Die Produktnamen sind Ausdruck unserer künstlerischen Freiheit."

Und die Kundinnen? Was sagen die?

Was Sexismus mit Kunst zu tun hat, steht dort nicht. Nichts findet die taz, die das Thema als eine der Ersten aufgriff. Im Gegenteil: Die Produktnamen würden "zu einem Klima beitragen, in dem sexualisierte Gewalt alltäglich ist". Auch Stevie Meriel Schmiedel, Dozentin für Genderforschung und Expertin für Sexismus in der Werbung, spricht von "Rape Culture", also der Verharmlosung von Vergewaltigungen. Und von "Stammtischkultur", die sich nur als witziger Protest gegen das angeblich Prüde verkleidet hat.

Und die Kundinnen? Was sagen die? Auf der Facebook-Seite des Unternehmens gibt es immerhin eine, die die Sprüche "Hammer" findet. Ansonsten wird in Foren vor allem darüber diskutiert, ob ein unzufriedener Praktikant oder ein anderer Spaßvogel die Shop-Homepage von Naketano gehackt haben könnte. Die wenigsten scheinen glauben zu können, dass das wirklich gewollt ist.

Bleibt die Frage: Gibt es die Zielgruppe, die Naketano ansprechen will, wirklich? Die den Schutz von Tieren gut und wichtig findet - und die Erniedrigungen von Frauen auch? Oder tragen die Menschen die hippen Hoodies, obwohl sie so bescheuerte Namen haben. Eben weil sie nicht genau hingesehen haben? Das scheint zumindest wahrscheinlich. Und ist angesichts des Erfolgs dieser Sexismus-Mode auch ein wenig beruhigend. Am Ende hilft gegen die aber nur, was bei jeder Konsumentscheidung hilft: Genau hinsehen, was man kauft.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3385147
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Sz.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.