Süddeutsche Zeitung

Haben und Sein:Klassiker von gestern und für morgen

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Vitra legt eine Möbel-Ikone neu auf, Otl Aichers Olympia-Piktogramme gibt es als Memory, und modische Basics mit Bestand: die Stilnews der Woche.

Von Anne Goebel, Kathrin Hollmer, Tanja Rest, Max Scharnigg und Silke Wichert

Jean Prouvé (1901-1984) war einer der maßgeblichen Architekten und Konstrukteure Frankreichs. Er arbeitete schon früh an der Schnittstelle von guter Form und industrieller Produzierbarkeit und schuf einige Möbelklassiker - vor allem Tische und Stühle -, die durch ihre technisch-nüchterne Form bis heute modern wirken. Der Schweizer Hersteller Vitra legt dieses Jahr einige seiner Modelle wieder auf, allen voran das Fauteuil "Kangourou", das jetzt offiziell vorgestellt wurde. Zunächst auf 150 Stück limitiert, kommt damit einer der eindrucksvollsten Entwürfe Prouvés aus dem Jahr 1948 wieder auf den Markt. Der Kangourou-Sessel verlagert sein Gewicht auf die Hinterbeine, genau wie sein tierischer Namensgeber ( vitra.com).

Ein aufgeregter Radiokommentator beschreibt 1972 das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele in München: "Die Sportler werden blau, Presse- und Fernsehleute grün, die Technik orange, fürs Protokoll wird Silber reserviert". Olympia in allen Farben des Regenbogens also, nicht mal Polizei und Feuerwehr sollen Uniformen tragen, sondern leichte Overalls. So sieht es das Gesamtkonzept von Otl Aicher vor, der als "Superdesigner" - wie es in der Radiosendung weiter heißt - verantwortlich ist für die Ästhetik der ersten deutschen Spiele seit der pompösen Propagandaschau der Nazis 1936 in Berlin. Bekanntlich staunte die Welt über das leichtfüßige, farbenfrohe Münchner Kontrastprogramm, und auch wenn Aicher sich selbst nicht gerne als Superstar bezeichnet hätte - ohne ihn hätte es diese Botschaft nicht gegeben. Zum 100. Geburtstag des gebürtigen Ulmers, der als engagierter Katholik und Nazigegner aufwuchs, gibt es jede Menge Gedenktexte und -ausstellungen. Auf besondere Weise erinnert der Architekturverlag Detail an ihn: mit dem Gedächtnisspiel "Otl Aicher. München 1972", das seine berühmten Piktogramme in den Mittelpunkt rückt. Die 32 Kartenpaare versammeln die minimalistischen Symbole für die Olympischen Disziplinen: von Radfahren und Hochsprung bis Bogenschießen sowie weitere Piktogramme, die bis heute auf der ganzen Welt als Orientierungszeichen eingesetzt werden. Aicher schuf eine "universale Bildsprache", schreibt der Verlag, "die heute so einprägsam ist wie vor 50 Jahren". Zum Spielen geeignet ist sie außerdem - eine ganzheitliche Idee, wie sie dem eigensinnigen Gestalter sicher gefallen hätte (29,90 Euro, shop.detail.de).

Korbtaschen sind so etwas wie das modische Pendant zum Sommerhit, quasi die Macarena unter den Accessoires. Im Winter vollkommen undenkbar, aber sobald die Temperaturen die 20-Grad-Marke überschreiten und das Gehirn schon mal auf Ferienmodus schaltet, auch plötzlich das einzig logische Accessoire für den Arm. Einige der schönsten Modelle stammen von Heimat Atlantica. Die Marke heißt so, weil die Taschen der spanischen Designerin Montserrat Álvarez in Portugal und im nordspanischen Galizien, also am Atlantik gefertigt werden - und zwar in alter Tradition: von Hand geflochten. Die Designs sind mittlerweile so erfolgreich, dass es schon mal eine Kooperation mit Comme des Garçons gab. Die aktuelle Sommeredition hat kleine Blüten aufgesetzt oder Glücksbringer an den Henkeln (ab 250 Euro, heimat-atlantica.com).

Blumenschmuck hat in der Regel eine kurze Lebensdauer. Nach Hochzeiten, Geburtstagen oder Firmenfeiern nehmen die Gäste vielleicht noch den ein oder anderen Strauß oder ein Gesteck mit, der Rest landet im Biomüll. Dabei hält sich Blumenschmuck oft eine Woche oder länger. Was fehlt, ist eine Gelegenheit zur weiteren Nutzung. Die Plattform Second Flowers vernetzt Brautpaare, Unternehmen und Gastronomie, die entweder Blumenschmuck weiterverkaufen oder diesen übernehmen wollen. Die Idee dazu hatte die Umweltingenieurin Alexandra Endres, als nach ihrer eigenen Hochzeit ein großer Teil der Blumendeko übrig war. "Nachhaltige Konzepte werden in erster Linie dann in die Tat umgesetzt, wenn sie Kosten senken", so Endres. Die Zweitnutzung schont Ressourcen, besonders wenn man auf Blumen aus der Region ohne weite Transportwegen setzt, und spart Geld - auf beiden Seiten: Fürs Weiternutzen zahlt man normalerweise 50 Prozent des Neupreises. Den Transport erledigen die ersten Gastgeber oder Floristinnen, die auch den Ab- und zweiten Aufbau anbieten. Gesuche und Angebote kann man auf der Plattform deutschlandweit einstellen, am besten frühzeitig, empfiehlt Endres, optimal sechs Monate vor dem Event ( secondflowers.de).

So ein unspektakuläres Basic-Teil kann man schnell beim Discounter abgreifen, oder? Eben nicht! Gerade Kleidungsstücke, die uns durch den Alltag begleiten und entsprechend oft getragen werden, sollten hochwertig und langlebig sein. Und da gibt es eine tolle neue Adresse: Index, eine Marke für High-End-Essentials. Dahinter steckt das Team von Rovó mit Sitz in Berlin und Porto; seit 15 Jahren entwickelt und produziert es Kleidung für Marken wie Balenciaga, Dior, Fendi oder Lacoste. Bei Index verkaufen sie nun T-Shirts, Sweatshirts, Hoodies aus organischen Fasern, mit großem Know-how, Transparenz in der Produktion und dem ständigen Streben nach Neuerungen. Dabei lässt man sich vom japanischen Prinzip des "Kaizen" inspirieren, dem Glauben, dass beständige Innovationen schrittweise zu großen Veränderungen führen ( index.shop).

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