Süddeutsche Zeitung

Hannelore Kraft als Braut:Besser weht's nicht

Lesezeit: 2 min

Ihre Wähler schätzen Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, für Bodenständigkeit und Familiensinn. Jetzt zeigt sich die SPD-Politikerin als Braut in Weiß. Und offenbart ihre Seelenverwandschaft mit Heidi Klum und Cinderella.

Lena Jakat

Ob Sattelschlepper oder Schleppnetz: Alles, was schleppt beziehungsweise geschleppt wird, schleift oder schrammt eigentlich irgendwie irgendwo drüber - sei es der Boden, die Grenze oder der Meeresgrund. Und so heißt auch die Schleppe an einem Brautkleid so, weil da ein Stück Stoff über kühle Kirchenfliesen wallt.

Ganz anders auf dem Hochzeitsbild, das Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nach ihrer Trauung auf Facebook und Twitter veröffentlichte. Da flattert die Schleppe wie ein großes weißes Segel im Wind, sie scheint an der Politikerin regelrecht zu zerren.

"Was für ein wundervoller Tag! Nach 20 Jahren noch mal 'JA'!": Mit diesem Kommentar schickte Kraft das Foto in die Welt. Aufgenommen wurde es vor einer Herbstkulisse, die Journalisten wahlweise "wüstenähnlich" finden oder als "Dünenlandschaft in Südeuropa" verorten. Schon im Mai hatte die 51-Jährige angekündigt, ihrem Ehemann Udo, mit dem sie seit zwei Jahrzehnten standesamtlich verheiratet ist, in der Kirche noch einmal das Jawort zu geben.

Romantischer Abschluss ehelicher Verhandlungen

Hannelore Kraft, Tochter eines Straßenbahnfahrers aus dem Ruhrgebiet, gilt als bodenständig, als eine der wenigen Politiker in der Arbeiterpartei SPD, die noch echten Arbeiterhintergrund haben. So war auch die Begründung, die sie für die zweite Hochzeit lieferte, denkbar pragmatisch: "Am Anfang unserer Ehe haben wir uns gesagt, wir versuchen es zu schaffen, zusammen zu bleiben, bis unser Junge groß ist. Dann verhandeln wir noch mal", so Kraft.

Diese Verhandlungen haben nun - da Sohn Jan 19 Jahre alt ist - offenbar einen erfolgreichen Abschluss gefunden. Details zum Wo und Wie der Hochzeit wurden allerdings nicht bekannt. Irgendwo im Ausland soll sie stattgefunden haben.

Mit der Trauung zeigt sie allerdings, dass neben der kämpferischen Proletarier-und der herzlichen Familien-Seele, für die sie ihre Anhänger lieben, mindestens eine weitere Seele - ach! - in ihrer Brust wohnt. Eine, die mit Heidi Klum und Cinderella verwandt ist.

Denn Ehegelübde zu erneuern, dafür ist allen voran Deutschlands oberste Model-Macherin berühmt - zumindest war sie es bis vor kurzem. Jahr für Jahr schworen sich die Schöne und der ihr angetraute Schmusesänger Seal aufs Neue die Treue - am Strand, in phantasievollen Kostümen oder umringt von jubelnden Freunden. So richtig ernst kann das Bekenntnis "bis dass der Tod uns scheidet" bei diesen beiden allerdings nicht gewesen sein.

Deplatzierte Dekadenz

Hannelore Kraft lässt sich für ihre romantische Ader jetzt in den sozialen Netzwerken feiern. Dabei wird sie doch gerade dafür geschätzt, dass ihr derlei Hochglanz-Selbstmarketing sonst fremd ist.

Und dann ist da besagtes hauchzartes Segel. So eine richtige Schleppe am Brautkleid hat etwas durch und durch Aristokratisches. Lady Di trat 1981 mit einem acht Meter langen Monstrum vor den Altar, bei ihrer Schwiegertochter Kate Middleton maß die Schleppe immer noch stattliche 2,70 Meter. Die Überlänge aus Stoff zeigt auch: Wir können es uns leisten, ein blütenweißes, sündhaft teures Designerkleid durch Staub und Straßenschmutz zu zerren.

Derlei Dekadenz will zu der Sozialdemokratin aus Mülheim an der Ruhr einfach nicht passen und so sieht Hannelore Kraft in ihrer wehenden Robe ein klein wenig verkleidet aus - was ja auch irgendwie passt: Schließlich haben sie und ihr Mann sich im Karneval 1992 näher kennen gelernt.

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