Süddeutsche Zeitung

Tennis in München:Zverevs Gedankenspiele im Frühling

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Deutschlands bester Tennisspieler gilt als Favorit beim Münchner Turnier - der Davis Cup spielt in seinen Planungen keine Rolle. Zverev lehnt den neuen Modus immer noch ab, Bundestrainer Kohlmann hofft, ihn noch umzustimmen.

Von Barbara Klimke, München

Alter ist eine relative Größe, und so saß Alexander Zverev am Montag neben einem Lorbeerbäumchen vor dem Klubhaus des MTTC Iphitos und sinnierte über Lebensphasen. Das Ambiente war beschaulich genug für derart tiefschürfende Gedankenspiele. Die gelb-weiße Marquise der Terrasse flatterte leicht in der Frühlingsbrise, der Himmel war blau und klar, und von den Plätzen wehte ein stetes, beruhigendes Bälle-Plopp-Plopp heran.

Seit sieben Jahren schon kommt Zverev um diese Jahreszeit nach München, er hat das Turnier zweimal, 2017 und 2018, gewonnen. Doch weil es sich beim Profitennis um ein kurzlebiges Geschäft handelt, blickt der junge Mann manchmal fast schon mit einer Methusalem-Erfahrung auf sein jüngeres Ich.

Die "einfache Zeit" als Spieler, so befand er an diesem Morgen, liege hinter ihm: jene Spanne, "in der man über nichts nachzudenken braucht außer Tennis". Mit 24 ist Zverev in einem Lebensstadium angelangt, das ihm neue Gewichtungen abverlangt. In dieser Phase, sagte er, gelte Folgendes: "Aussuchen, was die Prioritäten sind."

Da wäre zunächst die Gesundheit, der er Vorrang einräumen muss, in diesem Fall der Ellbogen, der ihn wochenlang quälte. Einen Belastungstest beim Training hat das Gelenk schmerzfrei überstanden, konnte Zverev berichten. Bis zum ersten Münchner Match am Mittwoch oder Donnerstag wird er seinen Aufschlagarm noch schonen können. Alles in allem erweckte er den Eindruck, dass der Heilungsprozess zu seiner Zufriedenheit verlaufe.

Damit richtet sich der Blick auf die übergeordneten Ziele des Weltranglistensechsten, der nun, in der mittleren Schaffensperiode seiner Laufbahn, erkannt hat, dass er "nicht mehr alle Punkte aus dem Vorjahr verteidigen muss". Es reicht, Titel zu gewinnen - und zwar jene, die ihm wichtig sind.

Einen Pokal in Acapulco hat er in diesem Jahr schon erobert, auch in München, wo er die Setzliste anführt, gilt er als Favorit. Ganz oben auf der Liste der Begehrlichkeiten aber stehen für Deutschlands Nummer Eins in diesem Jahr der noch fehlende Sieg bei einem der vier Grand-Slam-Turniere sowie, sofern es stattfindet, möglichst eine Medaille beim Olympiaturnier.

Was nicht zu seinen Prioritäten zählt, hat Zverev bei dieser Gelegenheit auch frühzeitig klargemacht. Für den Davis-Cup-Wettbewerb 2021, sagte er, werde er nicht zur Verfügung stehen: "Da hat sich nichts geändert." Es ist keinesfalls mangelnde Loyalität zum Verband DTB oder zu Bundestrainer Michael Kohlmann, die ihn dazu bewegt, sich dem Traditionswettbewerb weiterhin zu verweigern. Vielmehr hat er sich mit dem veränderten Modus des Nationenturniers noch immer nicht ausgesöhnt.

"Ich hoffe, dass sie wieder zum alten System zurückkehren"

Schon im Premierenjahr 2019, als die Investmentfirma Kosmos um den spanischen Fußballer Gerard Piqué die Spielform der übers Jahr in den Teilnehmerländern verteilten Mannschaftsduelle abschaffte, blieb Zverev dem reformierten Spektakel in Madrid fern. "Ich hoffe, dass sie wieder zum alten System zurückkehren", zu einem Modus mit "Emotionen, Leidenschaft, Passion", sagte er. In der jetzigen Form sei der Davis Cup für ihn nichts anderes als "nur ein weiteres Turnier" - etwa der ATP-Cup zum Jahresanfang in Australien. Weitaus attraktiver fände er die Alternative, den Mannschaftswettbewerb "wie bei einer Fußball-WM oder EM alle zwei oder vier Jahre" auszuspielen.

Davon aber ist bis auf weiteres nicht zu träumen. Und deshalb hat Bundestrainer Michael Kohlmann, Teamchef der deutschen Davis-Cup-Mannschaft, die Hoffnung auf einen Gesinnungswandel bei Zverev noch nicht aufgegeben. "Wir bleiben dran!", hat er am Montag versprochen, als er die erneue Weigerung seines Besten vernahm. Überrascht war Kohlmann nicht, "seine Einschätzung ist ja seit zwei Jahren bekannt".

Der Davis Cup wird erst im November ausgetragen, die Gruppenspiele des DTB-Teams gegen Serbien und Österreich sind diesmal in Innsbruck anberaumt. Und weil somit Partien gegen den serbischen Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic und gegen den österreichischen US-Open-Sieger Dominic Thiem anstehen, sieht Kohlmann eine kleine Chance, Zverev mit sportlichen Argumenten umzustimmen: "Ich habe seinen Teilnahme noch nicht abgeschrieben." Prioritäten zu setzen, heißt im Tennis nicht, dass man sie nicht ändern kann.

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