Süddeutsche Zeitung

Basketball:Paul Zipser - Burgos statt Big Apple

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Von Jonas Beckenkamp

Manchmal vergisst man, wie jung Sportler noch sind. Dabei haben sie schon eine Menge durchgemacht: Paul Zipser ist so einer, er ist gerade einmal 24, im Profisport heißt es dann gerne "im besten Alter". Als Basketballer ist Zipser einen weiten Weg gegangen, der ihn von seiner Heimat Heidelberg über den FC Bayern bis nach Chicago geführt hat. In die NBA, zum ruhmreichen (und aktuell etwas herumdümpelnden) Ex-Klub von Michael Jordan, dessen Statue in der "Windy City" vor der Halle platziert ist.

Doch Zipser hat auch die Tiefen des Sports kennengelernt: Verletzungen, quälend lange Reha, Arbeitslosigkeit. Die drohte sich bei ihm nun zu verlängern, nachdem seine Rückkehr in die NBA in allerletzter Sekunde geplatzt war. Vergangene Woche hatte die Rhein-Neckar-Zeitung den Wechsel des 24-jährigen Flügelspielers zu den Brooklyn Nets verkündet. Er wäre aktuell der achte deutsche NBA-Spieler gewesen. Doch am Ende kam es zu keinem Vertragsabschluss, weil die Nets einen Spieler, der eigentlich nach China wechseln sollte, doch wieder in ihren 15-Mann-Kader aufnahmen. Kein Platz für Zipser also, der ohnehin nur Ersatzmann gewesen wäre in Big Apple. Der Nationalspieler musste mit seinen Agenten ein paar neue Varianten durchspielen - und versucht es nun eine Nummer kleiner: Er wechselt nach Spanien zum Erstligisten San Pablo Burgos.

Zipser, dessen Talent als Werfer, Rebounder und vor allem als Verteidiger ihn durchaus für den NBA-Basketball qualifiziert, musste sich die vergangenen Monate in Deutschland fit halten. Er schuftete nach einem lange nicht bemerkten Ermüdungsbruch im linken Fuß samt Operation mehr als acht Monate für seine Rückkehr aufs Parkett. Die gelang ihm in Heidelberg, wo er sich bei seinem Heimatklub MLP Academics zuletzt im Einzeltraining mit Bundestrainer Henrik Rödl in Form brachte - Reporter der ARD-Sportschau schauten vorbei und erlebten einen aufgeräumten, zuversichtlichen Athleten, dem der Basketball gehörig fehlte. "Nach sieben, acht Monaten ohne Spiel freue ich mich, wenn es jetzt endlich wieder losgeht", sagte er.

In der Zwischenzeit hatte es immer wieder Gerüchte gegeben, dass er nach München zu den Bayern zurückkehren könnte, deren Geschäftsführer Marko Pesic mehrfach den engen Kontakt mit Zipser betonte. Doch daraus wurde wohl auch deshalb nichts, weil er an seine Chance in den USA glaubte - und weil er die Bayern als Rückkehrer aus der Millionenliga NBA zu viel Gehalt gekostet hätte. Er sei sich "ziemlich sicher, dass es in die NBA zurückgeht", erklärte er in dem Fernsehbeitrag, den die ARD im November ausstrahlte. Zipser weiß um sein Können, er hat es in Amerika vor allem in seinem ersten von zwei Jahren stellenweise auch bewiesen. Vielleicht ist Burgos, der Tabellenelfte in der spanischen Liga ACB, deshalb auch nur eine Durchgangsstation.

2017 spielte er eine starke Playoffserie gegen die Boston Celtics, seinen Karrierebestwert erzielte er 2016 mit 21 Punkten ausgerechnet gegen Brooklyn, das Team, das ihn zuletzt fast verpflichtete. Als es im Gesamtchaos der Bulls vergangene Saison auch bei ihm persönlich nicht mehr lief, verletzte er sich - und fiel lange aus. Chicago verzichtete schließlich im Sommer des vergangenen Jahres auf eine Vertragsverlängerung, das Vertrauen in seine Physis schien der Verein nicht mehr zu haben. Zipser war vereinslos und nicht fit, eine knifflige Kombination im hire-and-fire-Business des amerikanischen Profisports.

Dass er jetzt mit einem Vertag bis Saisonende in Burgos einen neuen Anlauf nimmt, muss kein schlechtes Zeichen sein. Auch Maxi Kleber, mittlerweile Teamkollege von Dirk Nowitzki bei den Dallas Mavericks, spielte einst ein Jahr beim galicischen Klub Obradoiro, ehe er über den FC Bayern seinen Weg in die NBA fand. Und Spaniens Liga, in der auch deutsche Kollegen wie Lucca Staiger (Teneriffa), Johannes Voigtmann (Vitoria) und Andreas Obst (Obradoiro) ihr Geld verdienen, gilt als eine der stärksten der Welt.

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