Süddeutsche Zeitung

Würzburger Kickers:Nur auf Bewährung

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Die Würzburger Kickers beginnen am Samstag mit der Saisonvorbereitung. Für Trainer Schiele geht damit der Kampf gegen die Zweifel weiter.

Von Sebastian Leisgang

Viele Fans der Würzburger Kickers haben sich lange den Kopf darüber zerbrochen, Tag für Tag, vielleicht sogar Nacht für Nacht. Immer wieder haben sie sich diese eine Frage gestellt: Mensch, der Schiele, der ist doch ein super Trainer, der ist beliebt, der kommt so natürlich rüber, fast so wie du und ich, außer dass er vielleicht ein bisschen anders spricht. Und vor allem hat der Schiele doch Ahnung vom Fußball - warum verlängert der Magath nur seinen Vertrag nicht?

Im Grunde waren sich die Anhänger da alle einig: dass sich die Verantwortlichen der Würzburger Kickers öffentlich zu Michael Schiele bekennen sollten - egal, ob die Kickers am Ende der Saison Zweiter, Fünfter oder doch nur Neunter werden. Das Entscheidende war nur: Felix Magath sah das vollkommen anders.

Als die Würzburger Kickers Anfang Juli dann tatsächlich Zweiter geworden waren und es geschafft hatten, mit einem Last-Minute-Tor in die zweite Bundesliga zurückzukehren, da war klar: Schiele bleibt. Zwei Tage nach dem letzten Spieltag brachten die Kickers die Nachricht unter die Leute, die Verantwortlichen stimmten Lobeshymnen auf Schiele an, und Magath selbst ließ sich auf der Aufstiegsfeier nicht nur mit einem sagenhaften weißen Dreiteiler und einem nicht minder sagenhaften weißen Hut ablichten - er wurde auch ein paar warme Worte los. Schiele sei "der Vater des Aufstiegs", sagte Magath. Und, das war die zentrale Aussage: Schiele sei auch in Zukunft "der richtige Mann" für die Kickers.

Alles gut also? Magaths Zögern nur ein Manöver?

An diesem Samstag bittet Schiele seine Mannschaft zum ersten Mal wieder auf den Platz. Rund sechs Wochen hat er dann Zeit, seine Spieler auf die Aufgaben der kommenden Saison vorzubereiten. Die Gegner heißen dann nicht mehr Zwickau, Halle und Großaspach, sondern Hamburg, Hannover und Düsseldorf - und genau das ist der Grund, warum Magath nach SZ-Informationen nach wie vor zweifelt.

Den Ansprüchen der zweiten Liga genügt der Kader der Würzburger Kickers bislang noch kaum

Der Fußballchef des Kickers-Investors ist sich noch immer nicht sicher, ob Schiele wirklich das Können hat, um die Würzburger Mannschaft an einem Freitagabend im Hamburger Volksparkstadion durch eine hitzige Partie zu führen oder in einer Halbzeitansprache die richtigen Worte an seine Spieler zu richten, damit diese auch in Hannover nicht untergehen oder sogar in der Lage sind, einen Rückstand in Düsseldorf umzubiegen.

Warum Magath all das in Frage stellt, ist und bleibt schwer zu begreifen. Schiele ist ja tatsächlich nicht nur beliebt bei den Fans, er beschränkt sich längst nicht nur darauf, ein natürliches Bild abzugeben - Schiele weiß auch, was auf dem Trainingsplatz, an der Seitenlinie und auf dem Transfermarkt zu tun ist. Ihm ist klar, dass es noch des einen oder anderen gestandenen Spielers bedarf, um seine Mannschaft zu einer konkurrenzfähigen Mannschaft werden zu lassen. Welche Fortschritte die Kickers in der vergangenen Saison gemacht haben, hat zwar Anerkennung verdient - dennoch wird der derzeitige Kader kaum den Ansprüchen der zweiten Liga genügen. Dass Fabio Kaufmann nach Braunschweig aufgebrochen ist, setzt die Verantwortlichen ebenso unter Zugzwang wie Sebastian Schuppans Karriereende. Und bei der Antwort auf die Frage, ob die Leihspieler Robert Herrmann und Simon Rhein tatsächlich diejenigen sind, die das Team entscheidend voranbringen werden, sind sie sich im Verein auch noch nicht ganz schlüssig.

Gut also, dass da die Vergangenheit Mut macht. Schiele hat ja schon gezeigt, dass er in herausfordernden Phasen Lösungen finden kann. Bei seinem Amtsantritt im Oktober 2017 hat er eine verunsicherte Mannschaft im laufenden Betrieb übernommen und sie vom Tabellenende auf Rang fünf geführt. Dann gingen einige der besten Spieler, doch die Kickers bestätigten den fünften Platz. Und jetzt, trotz eines erneuten Umbruchs, ist Würzburg auf einmal wieder zweitklassig.

Schieles Verdienste um die Kickers sind also offensichtlich, trotzdem weiß er, dass er nur auf Bewährung draußen ist. Schiele ist sich bewusst, dass er es sich nicht erlauben darf, in den ersten Saisonwochen ein Spiel nach dem anderen zu verlieren. Vermutlich nicht mal dann, wenn die Gegner nacheinander Hamburg, Hannover und Düsseldorf heißen.

Dennoch ist Schiele wild entschlossen. Er hat sich entschieden, wie es in der Branchensprache heißt, die Herausforderung anzunehmen und sich noch einmal zu beweisen. Nicht vor sich selbst, nicht vor den Fans - die ohnehin hinter ihm stehen - auch nicht vor Daniel Sauer, dem Sportdirektor, der sich mit Schiele beinahe schon auf eine Vertragsverlängerung verständigt hatte, bevor Magath kam: Schiele will es Magath beweisen. In den nächsten sechs Wochen und dann Tag für Tag.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2020
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