Süddeutsche Zeitung

WM-Qualifikation:Interkontinentales Zittern

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Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Katar geht in ihre finale Phase, auf der ganzen Welt stehen entscheidende Spiele an. Ein Überblick von Neuseeland bis Kanada.

Von Martin Schneider

So eine Fußball-Weltmeisterschaft ist, wie der Name schon andeutet, eine globale Sache - und lenkt zum Abschluss der Qualifikationsspiele den Blick auf Weltgegenden, die normalerweise nicht so im Fokus stehen. Die Südsee zum Beispiel. Da war die Vorausscheidung vorsichtig formuliert kompliziert und ist es im Prinzip immer noch. Lange Zeit fanden gar keine Qualispiele statt, und die erste geplante Partie fiel dann aus, weil in Tonga ein Vulkan ausbrach. Tongas Nationalmannschaft sah sich anlässlich der weitreichenden Zerstörung des eigenen Inselstaates außer Stande, nach Katar zu reisen, um dort gegen die Cookinseln anzutreten.

Moment - nach Katar? Genau, dort findet vom 13. bis zum 30. März eine Art Qualifikations-Miniturnier statt. Das hatte die Fifa kurzerhand nach Doha verlegt, weil zahlreiche Staaten in Ozeanien eine strenge No-Covid-Strategie verfolgen und Einreisen dort schwierig waren und sind.

Doch das Turnier in dem Wüstenemirat hat nun Probleme mit: Covid. Zwei Teams, Vanuatu und die Cookinseln, mussten wegen Corona-Ausbrüchen zurückziehen, was das angedachte Turnierformat ein wenig sinnlos macht. Aber im Prinzip geht es bei den elf Verbänden aus Ozeanien, die der ehemalige Fifa-Präsident Sepp Blatter in einem Anflug von cineastischem Humor mal "Ocean's Eleven" nannte, ja oft nur darum, wen Neuseeland im Finale schlägt. Also, falls sie dort bis kommenden Mittwoch keinen Corona-Ausbruch haben.

Neuseeland (oder Fidschi, Tahiti, Papua-Neuguinea, die Salomonen) wird im Fall eines Sieges dann an der WM-Gruppen-Auslosung am 1. April in Doha teilnehmen, allerdings nicht als WM-Teilnehmer, sondern nur als möglicher WM-Teilnehmer. Weil Ozeanien keinen ganzen, sondern nur einen halben Startplatz hat, tritt der Sieger Mitte Juni in einem sogenannten interkontinentalen Playoff-Spiel (Begriff bitte merken, er wird später noch wichtig) gegen den vierten der Nordamerika-Gruppe an. Wie gesagt, es ist kompliziert.

In Nordamerika steht Kanada kurz vor seiner zweiten WM-Teilnahme

Mögliche Gegner in einem, nun ja, Pazifik-Derby könnten Panama oder Costa Rica sein. Aber die eigentliche Nachricht aus Nordamerika ist der Tabellenführer der dortigen Qualifikationsgruppe. Das ist nicht Mexiko, nicht die USA, nein: Kanada. Bislang vor allem für seine Fußballerinnen bekannt, haben die Männer nun noch drei Versuche, um den einen notwendigen Sieg für die zweite Teilnahme an einer WM seit 1986 zu sichern.

Wie kommt's? Zum einen gibt es eine neue Generation an kanadischen Talenten wie Alphonso Davies (der aber derzeit eine Herzmuskelentzündung in München auskurieren muss) oder Jonathan David, 22-jähriger Stürmer des OSC Lille mit steigendem Marktwert. Vielleicht spielte es aber auch eine kleine Rolle, dass in Edmonton bei den beiden Siegen gegen Mexiko und Costa Rica im vergangenen November die Rahmenbedingungen so lauteten: minus neun Grad und 20 Zentimeter Neuschnee.

Chile, Peru und Uruguay stehen vor entscheidenden Spielen

Apropos äußere Umstände: In Südamerika ist die Nationalmannschaft Ecuadors wieder drauf und dran, sich für die WM zu qualifizieren, unter anderem wegen ihrer Fähigkeit, mit dünner Luft klarzukommen. 17 der aktuell 25 Punkte holte das Team hoch über dem Meeresspiegel, 14 im heimischen Quito auf 2850 Metern, zudem drei Punkte beim Auswärtsspiel im bolivianischen La Paz auf 3600 Metern. Weil Ecuador neben Brasilien und Argentinien fast durch ist, richtet sich die Aufmerksamkeit auf Peru, Uruguay und Chile (und theoretisch noch Kolumbien), die um die verbleibenden WM-Tickets kämpfen. In Montevideo empfängt Uruguay in der Nacht zum Freitag mitteleuropäischer Zeit Peru, Chile spielt gegen Brasilien in Rio und fünf Tage später in Santiago gegen Uruguay.

Eines der Teams fliegt direkt nach Katar, eines darf sich in den zweiten interkontinentalen Playoffs (siehe oben) versuchen und könnte dort möglicherweise auf Australien treffen. Australien? Liegt das nicht neben Neuseeland? Ja, allerdings spielt der australische Verband seit 2007 in der asiatischen Qualifikation, was geografisch seltsam und zudem verheerend für die CO2-Bilanz ist - aber gut für die WM-Chancen. Stichwort: bloß ein halber Startplatz für Ozeanien (siehe erneut oben). Aktuell kämpft Australien aber noch mit Japan und Saudi-Arabien um zwei direkte Tickets für Katar. Wer von den drei Mannschaften am Ende den Kürzeren zieht, der muss durch einen Playoff-Marathon gegen einen weiteren Vertreter aus Asien (Libanon, Irak, VAE) und dann gegen die erwähnte Mannschaft aus Südamerika.

Zur Gruppenauslosung werden erst 29 von 32 Teilnehmern feststehen

Einfacher ist die Sache in Afrika: Dort spielen zehn Mannschaften in Hin- und Rückspiel gegeneinander, wobei erwähnenswert ist, dass von den beiden Afrika-Cup-Finalisten Ägypten und Senegal nur einer zur WM kann. Sie spielen gegeneinander.

Wenn am 1. April in Doha die WM-Gruppen ausgelost werden, wird es übrigens drei sogenannte Platzhalter-Lose geben. Zwei wegen der interkontinentalen Playoffs (genau, siehe oben), und eins, weil die Ukraine in Europa ihr Qualifikations-Spiel gegen Schottland wegen des Krieges aktuell nicht austragen kann. Deutschland wird aller Voraussicht nach in Lostopf zwei sein, weswegen aus Lostopf eins ein sogenannter Hammergegner droht. Dabei könnte das DFB-Team allerdings auch Katar ziehen. Die sind als Gastgeber gesetzt und hatten daher von allen Mannschaften die mit Abstand unkomplizierteste Qualifikation. Nämlich keine.

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