Süddeutsche Zeitung

WM in Russland:Argentinien bekommt sexistische Flirt-Tipps

  • Bei einem Russland-Kurs des argentinischen Fußballverbandes AFA wird ein Handbuch zur russischen Kultur und Sprache verteilt.
  • Darin befindet sich auch ein Kapitel, wie man am besten russische Frauen aufreißt.
  • Die Passagen tauchen noch während der Präsentation auf Twitter auf, die Seiten werden während des Vortrags entfernt.

Von Javier Cáceres

Eduardo Pennisi gilt in Argentinien als Russlandkenner, der Musikprofessor war zu Zeiten, da die Sowjetunion noch existierte, als Stipendiat in Moskau. Seine Existenz war den meisten Argentiniern verborgen geblieben, aber nun ist er in aller Munde. Im Auftrag der Abteilung "Erziehung" der "Kommission für Fairness, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit" bot er in der Zentrale des argentinischen Fußballverbandes AFA einen Kurs für Spieler, Trainer, Funktionäre und Journalisten an, die zur WM nach Russland fahren wollen - und verteilte das Handbuch "Russische Kultur und Sprache". Darin ist ein Kapitel enthalten, das bis in die tiefste Pampa für Furore sorgt. Es heißt: "Was tun, um bei einer russischen Chica zu landen." Am ehesten trifft es wohl die Übersetzung "Mädel".

Noch während Pennisi seinen Kurs abhielt, einen Abriss über die russische Geschichte lieferte und auf dieser Grundlage "den Russen" unter anderem unterstellte, "eine imperialistische Mentalität" zu haben sowie kritikunfähig zu sein ("kritisiere niemals Russland vor einem Russen"), postete ein Teilnehmer die Passagen zu den Frauen in einem sozialen Netzwerk. Und löste damit ein Echo aus, das bis in den Vortragsraum hallte. Denn die Ratschläge, um mit Russinnen anzubändeln, die Argentiniens Sportblatt Olé anderntags als "dankenswerte Hinweise" bezeichnen sollte, waren nur so von Sexismus durchzogen.

So war dort einerseits zu lesen, dass die Russinnen auch nicht sehr viel anders seien als Frauen anderer Länder. "Wie alle Mädels legen die russischen Wert darauf, dass du sauber bist, gut riechst und gut gekleidet bist. Der erste Eindruck ist für sie sehr wichtig. Achte auf dein Image", war in dem Handbuch zu lesen. Andererseits hätten sie Eigenheiten: "Den russischen Chicas gefällt es nicht, als Objekte betrachtet zu werden. Viele Männer wollen die Russinnen nur ins Bett kriegen, weil sie hübsch sind. Die wollen das vielleicht auch. Aber es sind Personen, die sich wichtig fühlen und einzigartig fühlen wollen."

Man solle sich auch in Acht nehmen, und zwar explizit "vor Chicas, die nur auf materielle Dinge achten". Daher die Warnung: "Nicht alle russischen Frauen sind gut für dich. Sei wählerisch." Aber: "Mach dir keine Sorgen. Es gibt viele schöne Frauen in Russland." Mit der Tür ins Haus fallen solle man besser nicht, in Russland zähle "Sex zu den Themen, die nicht öffentlich diskutiert werden (glaube mir, es gibt Männer, die das tun)". Für alle Fälle wurde ein russischer Einstiegssatz transkribiert; "U tebya est lybimaya?" soll heißen: "Hast du einen Freund?"

Debattiert wurde über diese Fragen nicht mehr; wegen des bereits erwähnten Echos im weltweiten Netz. Eine Mitarbeiterin der AFA lief in den Saal und sammelte diskret die Handbücher ein, was zu Diskussionen führte. Danach sei den Teilnehmern bewusst geworden, was da alles so stand. Pennisi geriet in Erklärungsnot. Er gab zu, das Büchlein zusammengestellt und die Passage zu den Frauen aus dem Internet kopiert zu haben - um den Kurs "ein bisschen lockerer" zu gestalten.

Die Handbücher kehrten zu den Kursteilnehmern zurück, allerdings ohne die Seiten, die sich mit den Flirt-Tipps befassten, berichten Teilnehmer, die im Saal weiter debattiert haben: da diejenigen unter den etwa 50 Russland-Interessierten, die sich darüber aufregten, dass ein Teilnehmer den Text getwittert hatte, dort jene, die meinten, dass das alles nicht so schlimm sei, was wiederum auf Erwiderung stieß.

Der Kurs ging dann weiter, unter anderem mit einer Frage an Professor Eduardo Pennisi: Wie eigentlich steht es so um die feministische Bewegung in Russland?

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Quelle:
SZ vom 18.05.2018/dsz
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