Süddeutsche Zeitung

WM 2010: Niederlande - Japan:Oranje wohnt kein Zauber inne

Lesezeit: 3 min

Dank eines Tores von Wesley Sneijder gewinnt Holland mit 1:0 gegen Japan und ist für das Achtelfinale qualifizert. Ein Torwartfehler hilft kräftig mit. Der WM-Favorit kann erneut nicht überzeugen - und van der Vaart wird unsichtbar.

Michael König

Es ist auch ein bisschen die Weltmeisterschaft der Experten. Der ehemaligen Profis, die ihre fundierten Analysen am TV-Mikrofon abgeben. Und der branchenfremden Kommentatoren, die mit dem Begriff "Experte" nur zähneknirschend in Einklang zu bringen sind. Im Falle Deutschlands sind das beispielsweise die stimmlich stets einwandfrei zu identifizierende Verona Pooth, eine Art Vuvuzela auf zwei Beinen. Oder die Moderatorin Sonya Kraus, die sich alle Mühe gibt, über ihre Abiturnote von 1,6 hinweg zu täuschen: "Jetzt müssen die Jungs ran, verdammt nochmal", sagte sie nach dem 0:1 der Deutschen gegen Serbien in der Bild-Zeitung.

Selbstverständlich haben auch die Niederländer derartige Fachleute, und einer von ihnen, der Zauberkünstler Hans Klok, hat Erstaunliches festgestellt: Magie und Fußball seien vergleichbar, sagte Klok der Münchner Abendzeitung: "Man muss etwas vortäuschen, was gar nicht ist, man muss mit Illusionen arbeiten."

Abrakadabra!

So gesehen ist die niederländische Nationalmannschaft bei der Fußball-WM geradezu magisch unterwegs: Wie schon beim 2:0 gegen Dänemark versteckte die Elftal ihr Potential im Spiel gegen Japan lange, um dann - Abrakadabra! - dank Wesley Sneijder und eines Torwartfehlers in Führung zu gehen und - Dreimal schwarzer Kater! - letztlich mit 1:0 zu gewinnen. Nach Argentinien ist Holland der zweite WM-Favorit, der sich - Hokuspokus! - für das Achtelfinale der WM qualifiziert hat.

In seiner Expertise hatte Hans Klok auch gesagt, der frühere HSV-Profi Rafael van der Vaart sei für ihn der "Houdini des Fußballs", gewissermaßen ein Entfesselungskünstler am Ball. Das war mit Abstand das Freundlichste, was über van der Vaart nach dessen Leistung im Dänemark-Spiel zu hören war. Andere Fachleute hatten den Vertreter des verletzten Arjen Robben (Muskelfaserriss) für den fehlenden spielerischen Glanz verantwortlich gemacht und harsch kritisiert. Van der Vaart reagierte beleidigt: "Immer bin ich der Schuldige", klagte der Mann von Real Madrid.

Gegen Japan wollte er es besser machen. Von Beginn war van der Vaarts Bemühen zu erkennen, die Fesseln der japanischen Defensive abzulegen, die den Blue Samurai im ersten Gruppenspiel einen 1:0-Sieg gegen Kamerun eingebracht hatte. Und van der Vaart war nicht allein: Die ganze Mannschaft präsentierte sich spielerisch variabel und sicher im Kurzpassspiel. Mitte der ersten Halbzeit hatte Holland 75 Prozent Ballbesitz vorzuweisen und auch eine Chance durch Dirk Kuyt, der mit einem Fallrückzieher scheiterte.

"Wir sind ein Schwarm hungriger Fliegen", hatte Japans Nationaltrainer Takeshi Okada vor der Partie gesagt. Seine Spieler müssen das falsch verstanden haben: Sie schwirrten und surrten um die Holländer herum, ohne das Objekt ihrer Begierde, den Ball, berühren zu können. Und dann kam auch noch der Mann mit der Klatsche.

Es lief die 53. Minute, als Robin van Persie im japanischen Strafraum auf Wesley Sneijder ablegte, der den Ball auf das Tor drosch. Sein Schuss war nicht allzu platziert, der japanische Torhüter Eiji Kawashima jedoch schien wie von Hans Klok oder einer anderen Macht gesteuert: Er flog ein Stück zu weit und lenkte den Ball unglücklich ab. Noch bevor Kawashima "Verdammt, Jabulani!" denken konnte, schlug das Spielgerät im Netz ein. Witze mit dem Wort "Fliegenfänger" wären allzu naheliegend.

Die Holländer hätten nun wie in der Partie gegen Dänemark befreit aufspielen und weiter Druck machen können, doch stattdessen zauberten sie eine unerwartete Taktik aus dem Hut: Sie igelten sich ein und ließen Japan kommen. Angesichts der Qualitäten der eigenen Defensivreihe, geleitet vom 35 Jahre alten Giovanni van Bronckhorst, war das ein Wagnis, und tatsächlich kamen die Japanern zu einigen Chancen.

Elia hat einen Trick auf Lager

Bondscoach Bert van Marwijk hatte zu diesem Zeitpunkt bereits reagiert und Rafael van der Vaart ausgewechselt. Die Entfesselungskünste des Madrilenen waren erneut verborgen geblieben - zeitweise sah es eher so aus, als wolle sich van der Vaart selbst unsichtbar machen. Für van der Vaart kam Eljero Elia vom Hamburger SV ins Spiel, der schon gegen Dänemark einige Tricks gezeigt hatte.

Diesmal konnte allerdings auch er keinen neuen Zauber entfachen. Das heißt, einen hatte er doch auf Lager: In der 85. Minuten spielte Elia auf den für Sneijder eingewechselten Ibrahim Affelay, der alleine auf Kawashimas Tor zulief - und kläglich scheiterte. Kurz vor Schluss stockte den Niederländern der Atem, als Shinji Okazaki per Volleyschuss aus kurzer Distanz scheiterte. So blieb es beim 1:0, das Holland zum Erreichen des Achtelfinals reicht. Expertin Sonya Kraus würde sagen: "Da müssen die Jungs aber ran, verdammt nochmal!"

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