Süddeutsche Zeitung

Kevin Volland in der Nationalelf:Mit Polterschritten zur EM

Lesezeit: 3 min

Am Ende bleibt nur Aufmunterung von Präsident Macron: Kevin Volland muss mit AS Monaco gegen Paris seine nächste Pokalfinal-Niederlage verdauen. Doch bei der Europameisterschaft könnten seine Stärken der DFB-Elf helfen.

Von Jonas Beckenkamp

Ein paar Meter musste Kevin Volland noch hinter sich bringen, dabei war das französische Pokalfinale längst beendet. Die Spieler von Paris Saint-Germain erwiesen sich als faire Sieger, sie bildeten ein Spalier für den Stürmer Volland und dessen Kollegen von AS Monaco. Auf dem Podium warteten ein paar Silbermedaillen, die der prominenteste Mann des Abends mit ernster Miene verteilte: Emmanuel Macron, Monsieur le Président, von dem auch Volland, 28, einen aufmunternden Corona-Faustgruß erhielt.

Emmanuel Macron tröstet Kevin Volland

Wieder Zweiter, wieder keine Trophäe. Für Kevin Volland war das am Mittwochabend eine unangenehme Wiederholung der Geschichte - es war seine zweite verpasste Chance auf einen Cup binnen kurzer Zeit, nachdem er im vergangenen Jahr mit Bayer Leverkusen im DFB-Pokal-Endspiel den Bayern unterlag. Monacos 0:2 (0:1) gegen PSG offenbarte die Grenzen der Mannschaft aus dem Fürstentum, die unter der Führung des früheren Bayern-Trainers Niko Kovac in dieser Saison eigentlich zu den positiven Überraschungen der Ligue 1 zählt.

Platz drei belegt Monaco dort vor der Zielankunft am Sonntag, die Champions League ist in Sichtweite. Geholfen haben dabei 16 Saisontore und acht Vorlagen von Volland - eigentlich sehr beachtlich. Trotzdem gab sich der Stürmer in der Pressekonferenz nach dem Pokalendspiel geknickt: "Ich bin sehr enttäuscht, ein Finale zu verlieren, ist immer ein schlechtes Gefühl", sagte Volland. Das Team solle aber "die Köpfe direkt wieder heben, weil wir ein wichtiges Spiel am Sonntag haben."

Da geht es für Monaco (77 Punkte) am letzten Spieltag zur schweren Auswärtspartie nach Lens (Tabellensechster). Ein Sieg dort reicht der Kovac-Elf für die Qualifikation zur Königsklasse, schon ein Unentschieden könnte aber wegen des starken Verfolgers Lyon (76 Punkte) zu wenig für die Königsklasse sein. Den Meistertitel machen in einem dramatischen Finish wohl die noch größere Überraschungsmannschaft OSC Lille (80) und Favorit Paris (79) unter sich aus.

Es läuft also wahrlich nicht schlecht für Volland, denn seit Mittwoch ist er ja auch wieder Nationalspieler. Er steht im deutschen EM-Kader, was nach den vergangenen vier Jahren durchaus überrascht. Nach zehn Länderspielen (ein Tor) schien Vollands DFB-Karriere 2016 mit seinem bislang letzten Einsatz gegen Italien (0:0) vorbei zu sein. Andererseits: Warum sollte Deutschlands aktuell treffsicherster Stürmer in Europas fünf Topligen nicht bei der EM dabei sein?

Mit Volland folgt Löw dem Leistungsprinzip

Bundestrainer Joachim Löw hatte eigentlich nie etwas Grundsätzliches auszusetzen am stets engagierten Kämpfer und Renner Volland. Er fand nur irgendwann, dass der dem DFB-Team nicht so richtig weiterhelfe - und dass es vorne bessere Alternativen für die Zukunft gebe. Jetzt kam Löw offenbar zu einer anderen Erkenntnis: Er nimmt den gebürtigen Allgäuer gerne mit zur Euro. Man weiß ja nie, ob ein formstarker Stoßstürmer wie Volland nicht doch mal ein "Asset" für ein wogendes Spiel gegen Frankreich oder Portugal sein kann.

Mit der Personalie Volland geht Löw den Schritt, den manche von ihm längst gefordert haben: Er wiederbelebt das pure Leistungsprinzip beim DFB. An Vollands Leistungen bestehen wenig Zweifel, auch Klubtrainer Kovac hielt kürzlich ein Plädoyer für den Angreifer: "Er spielt dieses Jahr außergewöhnlich gut, sehr mannschaftsdienlich und vor allem erfolgreich." ( Sport-Bild). Auch Löw hat seine Ansicht geändert: "Kevin war sicherlich einige Jahre nicht dabei", räumte er bei seiner Kader-Präsentation ein, "aber er macht körperlich einen sehr starken Eindruck und kann uns mit seinem Durchsetzungsvermögen und seiner Torgefahr bereichern."

Die bewies Volland bis zu seiner Auswechslung in der 74. Minute auch im Finale gegen PSG. Und wer weiß, wie der Abend gelaufen wäre, wenn er in der Anfangsphase bei einem Sprint gegen Keylor Navas nicht eine Sekunde zu spät gekommen wäre. Der Pariser Torwart klärte mit Mühe weit vor seinem Tor - und es war eine typische Volland-Szene. Sein Spiel braucht Räume, in die er mit seinem robusten Körper und mit seinen dynamischen Polterschritten hineinprescht.

Er sei natürlich "ein physisch agierender Spieler", sagte er im Februar der SZ, "aber ich kann schon auch kombinieren und Pässe spielen". Dass es im Finale im Stade de France nichts wurde, lag weniger an Volland. Eingeleitet hatte Monacos Niederlage Verteidiger Axel Disasi, der gegen Kylian Mbappé im Spielaufbau den Ball vertändelte. Mbappé passte zu Mauro Icardi, der zum 1:0 einschob (19.). Frankreichs Schnellster und technisch Begabtester erhöhte per Lupfer auf 2:0 nach (81.). "Mbappé ist für mich im Moment der beste Spieler der Welt", adelte Kovac den Torschützen. Immerhin: Für Volland kommt bald die Chance zur Revanche: am 15. Juni im deutschen EM-Auftaktspiel gegen Frankreich.

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