Süddeutsche Zeitung

Uth-Wechsel:Klausel der Angst

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Von Philipp Selldorf

Eigentlich haben der 1. FC Köln und Schalke 04 ein ideales Geschäft vereinbart, als sie sich jüngst über den Wechsel von Mark Uth einigten. Den Angreifer können die Kölner im Abstiegskampf sehr gut gebrauchen, die Schalker hingegen haben ihn im Moment weniger nötig. Vermutlich hätte er nicht die Spielzeit bekommen, die er braucht, um nach Verletzungen wieder in Schwung zu kommen. Deshalb hat ihn Schalke bis zum Saisonende an den FC verliehen. Ob Uth, 28, zurückkehren und seinen Vertrag bis 2022 erfüllen werde, das werde man im Sommer bewerten, hieß es in Gelsenkirchen. Der Handel enthält sogar eine romantische Komponente. Während Schalke von einer Leihgebühr absah, verzichtete der Lokalpatriot Uth für den Wechsel in seine Heimatstadt auf nicht unerhebliche Anteile seines Gehalts. Die FC-Führung durfte sich über Beifall freuen.

Schon im ersten Testspiel erzielte Uth das erste Tor für den FC, und dennoch herrscht nun in beiden Klubs Missstimmung. Anlass ist eine Klausel im Leih-Vertrag, die es Uth verbietet mitzuspielen, wenn sich Köln und Schalke am 29. Februar in der Bundesliga treffen. Darüber sind jetzt nachträglich Klagen laut geworden im Kölner Lager, was in Gelsenkirchen Unverständnis hervorruft. Schließlich habe man ja eine Vereinbarung getroffen, die Klausel sei ein Gebot der Verantwortung gegenüber Schalke.

Diese Vereinbarung ist im Übrigen nicht ungewöhnlich. 2001 gab Bayer Leverkusen den brasilianischen Angreifer Paulo Rink zur Rückrunde an den 1. FC Nürnberg weiter, der Club bezahlte dafür 500 000 Mark und unterzeichnete eine Klausel, wonach Rink gegen Bayer nicht spielen werde - es sei denn, man bezahle eine weitere halbe Million dafür. Beim Spiel gegen Bayer schoss dann zwar ein Brasilianer zwei Tore - doch dieser Brasilianer war ein Nachwuchsstürmer namens Cacau. Rink saß auf der Tribüne und verursachte keine Extrakosten.

In den Europacup-Wettbewerben sind solche Sperr-Paragrafen untersagt

Juristisch ist gegen solche Bedingungen nichts einzuwenden, solange sie nicht mit der Pistole erpresst wurden, handelt es sich um Abmachungen unter gleichberechtigten Vertragspartnern. Klagen wegen Sittenwidrigkeit wurden bisher nicht erhoben, auch nicht beim durchaus umstrittenen Vorgehen der TSG Hoffenheim nach dem Verkauf von Vincenzo Grifo an den SC Freiburg. Grifo durfte nach dem Gebot der TSG nicht mitspielen, der Sportclub hielt sich dran.

In den Europacup-Wettbewerben sind solche Sperr-Paragrafen untersagt. Real Madrid bekam es zu spüren, als 2015 Alvaro Morata im Halbfinale der Champions League zwei Tore für Juventus Turin schoss - just gegen jenen Klub, dem er seit der Jugend angehört hatte. Real Madrid hatte Morata zwar 2014 an Juventus verkauft, sicherte sich aber wie üblich das Recht des Rückkaufs, eine Bestimmung, dass der Stürmer gegen Real nicht antreten dürfte, war aber wegen der Uefa-Statuten nicht möglich. In Spanien lösten Moratas Treffer, die Juve ins Finale brachten, Schadenfreude aus: Jahrelang war Real Madrid dafür bekannt, nur unter der Auflage eines Sonderpassus Spieler zu verleihen: Real-Profis, die vorübergehend fremde Uniformen trugen, sollten dem stolzen Besitzer keinen Schaden zufügen können. Im Land spottete man über die "Clausula del Miedo", die Angst-Klausel. Das wirkte. Inzwischen hat der Klub diese Geschäftspraxis eingestellt.

Vorbildlich sportlich handelte im Winter 2010 der 1. FC Nürnberg, nachdem er Peer Kluge an Schalke 04 verkauft hatte. "Wir haben mit Peer abgemacht, dass er gegen uns kein Tor schießt", verriet Manager Bader. Kluge blieb brav und torlos.

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SZ vom 09.01.2020
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