Süddeutsche Zeitung

Uruguay gegen Ghana:Die Hand des Teufels kehrt zurück

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Vor dem Treffen mit den Uruguayern erinnert sich Ghana an 2010, als Luis Suárez mit der Hand den Sieg der Afrikaner und ihren Einzug ins Halbfinale verhinderte. Der Stürmer will sich noch immer nicht entschuldigen.

Von Javier Cáceres, ar-Rayyan

Es hieß, der leibhaftige Teufel sei da gewesen. Doch es roch offenkundig nicht nach Schwefel, als Ghanas Nationaltrainer Otto Addo vor dem Spiel seiner Mannschaft gegen Uruguay vom Freitag das Podium des Pressesaals betrat. Zumindest schnüffelte Addo bei seinem Besuch des Medienzentrums in al-Rayyan nicht am Mikrofon herum wie einst Venezuelas inzwischen verstorbener Ex-Staatschef Hugo Chávez, als er im Plenum der UN-Vollversammlung nach dem früheren US-Präsidenten George W. Bush ans Rednerpult treten musste. Vor Addo hatte bei der WM in Katar Uruguays Stürmer Luis Suárez gesprochen, und ihn haben so einige Menschen südlich der Sahara zum Höllenfürsten erklärt - nach der WM 2010.

Im Viertelfinale der damaligen Weltmeisterschaft hatte Suárez in letzter Minute beim Stand von 1:1 den Ball von der Linie geboxt, ehe er die Torlinie überqueren konnte. Die Sunday Times aus Südafrika paraphrasierte das geflügelte Wort von der Hand Gottes, als sie über Suárez schrieb: "Die Hand des Teufels", und das hängt, wie am Donnerstag zu beweisen war, den Ghanaern immer noch nach. Denn Asamoah Gyan vergab den Strafstoß, Uruguay rettete sich zu zehnt in die Verlängerung, im Elfmeterschießen siegten die Südamerikaner. Ob er sich nicht langsam mal entschuldigen wolle, wurde Suárez gefragt, und er sagte: Nö.

"Wenn ich Scheiße baue, dann mache ich das schon", sagte Suárez, und nannte ein Beispiel aus der eigenen Vita. Bei der WM 2014 hatte er seinem italienischen Bewacher Giorgio Chiellini in die Schulter gebissen und den Italiener aufrichtig um Pardon gebeten. Die Frage nach einer Bitte um Entschuldigung würde er dann verstehen, wenn er seinerzeit einen Spieler verletzt hätte, sagte er nun den ghanaischen Reportern. Aber wegen eines Handspiels, mit dem er sich fürs Team aufopferte, in Sack und Asche gehen? So weit kommt's noch, ließ Suárez erkennen. Und überhaupt: "Es war ein ghanaischer Spieler, der den Elfmeter verschossen hat. Nicht ich!", belehrte Suárez die ghanaischen Journalisten. Was diese nicht davon abhielt, zu insistieren - auch bei Otto Addo, der eben nach Suárez (und dessen Trainer Diego Alonso) den Pressesaal betrat.

Dass alle dasselbe wissen wollen, kann Addo nicht verstehen: "Gott hat Euch alle unterschiedlich gemacht."

Addo war bemüht, Sachlichkeit walten zu lassen, bis er die Fragen zum Jahr 2010 doch einigermaßen satt hatte. Dass alle dasselbe wissen wollten, könne er nicht verstehen: "Gott hat euch alle unterschiedlich gemacht", da müssten sie nicht derart kreativlos sein.

Zuvor hatte der frühere Bundesliga-Profi (Dortmund, Mainz, Hamburger SV) betont, dass Rache nicht zu den Kategorien zähle, in denen er denke. Er könne sich noch sehr gut daran erinnern, wie traurig er seinerzeit gewesen sei, weil Ghana ausgeschieden war, sagte Addo. Zugleich betonte er, dass die Bewertung der Aktion immer auch "eine Frage der Perspektive" sei: "Wenn der gleiche Vorfall umgekehrt passiert wäre und Ghana es ins Halbfinale geschafft hätte, dann würde jeder in Ghana sagen, dass es eine normale Sache war", sagte Addo.

Mehr noch: Er richtete im Grunde die Ermahnung an seine Mannschaft, sich an Suárez ein Beispiel zu nehmen. Er wolle auch, dass seine Spieler alles geben - und sich im Zweifelsfall aufopfern. So wie Suárez es damals eben tat, als er in letzter Minute mit der Hand ein Tor verhindert hatte, das Uruguays K. o. bedeutet hätte - auf Kosten eines Elfmeters, eines Platzverweises gegen Suárez und einer Sperre fürs Halbfinale gegen den späteren WM-Zweiten Niederlande.

Addos uruguayischer Kollege Diego Alonso, der natürlich auch zur Affäre einvernommen wurde, versicherte, er könne sich - weil ja jedes Spiel anders sei -, beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich eine solche Episode wiederhole. Womit die Chancen gut stehen, dass für eine Wiederholung eben doch alles bereitet ist. Merke: Bei so einer Fußball-WM geht's immer wieder auch mit dem Teufel zu.

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