Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Nübel stößt das Karussell an

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Der FC Bayern München hat einen guten Keeper zu viel, dafür haben andere Klubs mindestens einen zu wenig. Nun beginnt das große Lauern.

Von Christof Kneer, München

Ein bisschen gemein ist es schon, dass Oliver Kahn selbst jetzt immer noch größer ist als sie. Kahn verhandelt mit Manuel Neuer, Kahn sagt Sätze zu Leroy Sané, und sowieso wird er irgendwann mal Vorstandschef beim FC Bayern. Die Schlagzeilen sind zu groß, als dass man Kahn entkommen könnte. Michael Rensing und Thomas Kraft kann man dagegen leicht übersehen. Nur mit wirklich hochwertigen Lupen lässt sich Aktuelles über sie finden, Kraft beendet seine Karriere mit 31, findet man zum Beispiel, oder: Michael Rensing, 36, vereinslos seit Juli 2020.

Von den Torhütern Rensing und Kraft wurde vor über einem Jahrzehnt etwas erwartet, was man von niemandem erwarten sollte. Sie sollten in München einen Unersetzbaren ersetzen, Oli Kahn, das ist nicht gut ausgegangen. Ersetzt wurde der Torwart Kahn dann erst durch Manuel Neuer, der nun selber unersetzlich geworden ist. Was von Rensing und Kraft erwartet wurde, wird in absehbarer Zeit aber auch von Alexander Nübel erwartet werden, er soll mal Neuers Platz übernehmen, und das Gute ist: Viele Experten meinen sogar, dass er das kann. Nicht so gut ist allerdings: Der Unersetzliche will noch ein bisschen bleiben. Nübel, seit Juli offiziell Bayern-Profi, soll erst mal von Neuer lernen, was unter Torhütern ein feiner Euphemismus für hinter Neuer auf der Bank sitzen ist.

Ob es ein Trost für Nübel, 23, ist, dass er sich selber gerade ein bisschen unersetzlich fühlen darf? Bei Schalke 04 sind sie zuletzt zwar nicht mehr ganz glücklich mit ihm gewesen, aber das waren sie ja mit niemandem. Aber die Schalker haben immer gewusst, was sie an diesem begabten Torwart haben, und nun wissen sie es erst recht. Nun, da sie einen Nachfolger suchen.

Eine kuriose Situation ist das: Weil die Bayern einen Torwart geholt haben, den sie (im Moment) noch gar nicht brauchen, weil sie im Tor jetzt mindestens einen Guten zu viel haben, haben die anderen Klubs in ihren Toren einen zu wenig. Auf Schalke haben sie jetzt noch die Wahl zwischen Markus Schubert, 22, und dem zuletzt verliehenen Ralf Fährmann, 31. Fährmann verehren sie zwar als echten Schalker - aber ihm deshalb gleich wieder das Tor anvertrauen, wie früher, als wäre nichts gewesen? Das wollen und werden sie nicht.

Auch von verborgenen Umtrieben wird berichtet

Natürlich suchen die Schalker gerade auch jemanden, der sich mal wieder an den Sinn des Spiels erinnert und einen Ball ins Tor schießen kann, aber höchste Priorität bei der Suche genießt der Posten zwischen den Pfosten. Nicht so einfach, weil Schalke hemmungslos sparen muss. Zahlreiche Namen sind fürs Schalker Tor gehandelt worden, vom Münchner Sven Ulreich über den Basler Jonas Omlin und den Leipziger Yvon Mvogo bis zum Düsseldorfer Zack Steffen, der seit Juli wieder Manchester City gehört.

Inzwischen, heißt es, sei aber eine klare Tendenz erkennbar: Alexander Schwolow, 28, der sehr gute und immer noch sehr unterschätzte Torwart des SC Freiburg, könnte zu Schalke wechseln, womit - klassischer Domino-Effekt - mindestens schon mal das Tor in Freiburg frei würde. Zusätzlich zu den weiteren Toren, die ebenfalls noch nicht mit einer Nummer eins besetzt sind, bei den Berliner Erstligisten Hertha BSC und Union zum Beispiel, beim Aufsteiger VfB Stuttgart oder beim Nicht-Aufsteiger Hamburger SV.

Auch von verborgenen Umtrieben wird berichtet, so heißt es in Beraterkreisen, auch der 1. FC Köln sondiere den Torwartmarkt - um zumindest perspektivisch einen Herausforderer für Timo Horn, 27, aufzutreiben, der im Unterhalt wohl ziemlich teuer ist. Der Torwartmarkt folgt eigenen Regeln, ein Torwart wechselt nicht einfach mal irgendwohin, um dort vielleicht ein paar Minuten mehr Spielpraxis zu erhalten. Ein Torwart spielt ganz, oder er spielt gar nicht, es gibt in der Bundesliga wie für die Trainer nur 18 Plätze. Deshalb stellt sich die Branche jetzt auf das große Lauern ein. Wegen Corona hat der Markt diesmal bis 5. Oktober geöffnet, und so haben suchende Klubs und suchende Torhüter nun sehr viel Zeit, um einander zu beobachten.

Welche Rolle spielen die deutschen Keeper im Ausland?

Gelingt es dem VfB Stuttgart, den bisher nur geliehenen Aufstiegstorwart Gregor Kobel, 22, der TSG Hoffenheim abzukaufen? Würde Freiburg Schwolows Planstelle intern mit dem Niederländer Mark Flekken, 27, besetzen, der endlich mal Nummer eins sein will, zur Not auch anderswo? Holt Hertha einen jungen Herausforderer, um Rune Jarstein, 35, zu bedrängen, oder lieber einen etablierten Mann wie Ulreich, 31, der nach luxuriös dotierten Jahren auf der Bayern-Bank wieder Lust verspürt, am Wochenende Fußball zu spielen?

Wer gewinnt das Duell ums Mainzer Tor, Florian Müller, 21, oder Robin Zentner, 24, und wohin wechselt der Verlierer des Duells? Wird in Bremen ein Tor frei, weil Werder Geld braucht und sich mit Torwart Jiri Pavlenka, 28, noch welches verdienen lässt? Welche Rolle spielen deutsche Keeper im Ausland, der schrille Loris Karius, 27, der seriöse Marvin Schwäbe, (25, Bröndby) und das wilde Talent Steven Benda, 21, aus Swansea? Was plant der deutsche Trainer Roger Schmidt, der angeblich einen deutschen Torwart nach Eindhoven locken will?

Es kommt nicht oft vor, dass sich so viele Namen mit so vielen offenen Stellen treffen, und doch sind einige schon gespannt, ob in München vielleicht noch jemand auf den Markt kommt. Ob Oli Kahn vielleicht entscheidet, Alexander Nübel doch noch zu verleihen?

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SZ vom 15.07.2020
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