Süddeutsche Zeitung

Trainingsauftakt beim FC Bayern:"Guten Morgen, Herr Heynckes"

Lesezeit: 3 min

Sieben Spieler, sechs Trainer, etwa 300 Zaungäste und fast 100 Journalisten: Der FC Bayern München startet in die neue Saison, der nächste Transfer wird gemeldet. Und der neue Trainer Jupp Heynckes spricht über Systeme, weitere Spielerwünsche und warum er sich in München "sauwohl" fühlt.

Jürgen Schmieder

Eigentlich hätte Bastian Schweinsteiger gar nicht anwesend sein sollen bei der ersten Trainingseinheit dieser Spielzeit. "Ohne Nationalspieler" war der "Saisonaufgalopp", die erste Trainingseinheit der Saison, vom FC Bayern angepriesen worden. Schweinsteiger aber ging vorneweg, er machte ein paar Witze und schäkerte mit den Zugängen Rafinha und Nils Petersen. Einer der etwa 300 Zuschauer raunte: "Ui, guck' mal, der Schweini ist ja auch da!" Ja, der Schweini, der war auch da.

Neben Schweinsteiger waren allerdings nur sechs andere Akteure da: Luis Gustavo, Jörg Butt, Rouven Sattelmaier, Diego Contento - dazu die Zugänge Rafinha und Petersen. Die Nationalspieler dürfen noch ein paar Urlaubstage genießen, sie werden am Freitag zum Fitnesstest an der Säbener Straße erwartet.

Sieben Spieler, sechs Trainer, etwa 300 Zaungäste, dazu fast 100 Journalisten: Aus der ungewöhnlichen Spieler-Trainer-Konstellation ergab sich die schöne Situation, dass Hermann Gerland bei einem kurzen Vier-gegen-zwei von Rafinha und Jörg Butt herumgescheucht wurde.

Der offizielle Trainingsauftakt beim FC Bayern ist stets eine zwiespältige Angelegenheit. Es ist eine lockere Einheit, Späher der gegnerischen Vereine werden keine großen Erkenntnisse gewinnen. Auf der anderen Seite ist dieser Tag immer ein wenig bedeutungsschwanger, weil eben doch ein paar Zugänge zu bestaunen sind, manchmal auch ein neuer Trainer. Bisweilen wird en passant ein Zugang vermeldet, in diesem Jahr ist es das japanische Talent Takashi Usami - die Münchner leihen den 19-jährigen Flügelspieler zunächst für eine Saison aus und haben danach die Option, Usami zu kaufen.

Und es kommen natürlich viele Zuschauer. "Ich bin zum zehnten Mal in Folge dabei", sagt einer und präsentiert ein Trikot mit Unterschriften, um diese Aussage zu belegen. Dann ruft er: "Guten Morgen, Herr Heynckes!"

Beim Trainingsauftakt des FC Bayern gibt es Momente, an die man sich später kaum mehr erinnern wird wie etwa, dass Jan Schlaudraff im Jahr 2007 der erste Akteur war, der mit seinem Dienstwagen auf das Trainingsgelände gefahren ist.

Andere Momente bleiben dagegen haften wie etwa jener, als Louis van Gaal vor zwei Jahren mit Stoppuhr und lärmender Trillerpfeife zum ersten Training erschienen ist und wie er sich im vergangenen Jahr von seinem Assistenten Hermann Gerland im Golfbuggy über den Trainingsplatz chauffieren hat lassen.

Nun kam Jupp Heynckes um kurz vor zehn Uhr auf den Platz für die erste Einheit seiner dritten Amtszeit. Er trug kurze Hosen und ein arg bequem wirkendes T-Shirt. Die Stoppuhr baumelte um den Hals von Hermann Gerland, ein Golfbuggy war auch nicht zu sehen. Er begrüßte die Zaungäste fröhlich, umarmte Mediendirektor Markus Hörwick, dann sprach er kurz mit seinen Spielern. Er brüllte nicht herum, sondern sprach ruhig, hin und wieder lachte er.

"Ich fühle mich in München einfach sauwohl. Es ist ein besonderer Klub mit besonderen Menschen", sagte Heynckes nach der Einheit. Er erzählte noch einmal die Geschichte, wie er einst im Oktober 1991 vom FC Bayern entlassen worden war: "Ich fuhr an den Tegernsee, dann haben wir fünf Minuten über die Trennung gesprochen. Dann haben wir gegessen - und danach Schafkopf gespielt. So ein Verein ist das."

Einen kleinen Seitenhieb auf die vergangene Saison konnte sich Heynckes indes nicht verkneifen. "Dass ich in Leverkusen Spaß hatte, sieht man ja an der Tabelle. Es hat zwar nicht ganz gereicht, aber es hat gereicht, den FC Bayern auf den dritten Platz zu verweisen", sagte Heynckes - und ergänzte: "Der FC Bayern wird ein anderer FC Bayern sein als letzte Saison, davon können sie ausgehen."

Um das zu erreichen, werde er eine andere Strategie verfolgen als Louis van Gaal: "Ich bin kein Systemfanatiker, weiß aber, wie ich spielen lassen möchte." Für jeden Trend gebe es einen Gegentrend: "Dortmund und Hannover etwa haben in der vergangenen Saison gezeigt, wie man den FC Bayern besiegen kann. Diese Vereine haben einen Gegentrend zum Münchner System entwickelt."

Aus diesem Grund müsse man ein starres System bisweilen aufgeben, um Erfolg zu haben: "Ein Trainer muss ein Spiel lesen, reagieren und im entscheidenden Moment das Richtige tun."

Heynckes sprach über die anwesenden Zugänge Rafinha ("ein Sauhund, ein unbequemer Gegenspieler") und Petersen ("Wie er in der zweiten Liga Tore geschossen hat, macht er die auch oben rein"), dann ging es um die kolportierten Verpflichtungen von Jérôme Boateng und Arturo Vidal.

"Boateng will zu uns kommen, wir würden ihn gerne holen", sagte Heynckes, doch Nerlinger schränkte sogleich ein: "Manchester City ruft einen utopischen Preis auf, deshalb bin ich derzeit sehr pessimistisch, dass dieser Transfer zustande kommt." Ähnliches gelte für den Leverkusener Vidal. "Entweder kommt er jetzt noch, da müssen wir abwarten, was sich in den nächsten Tagen tut. Falls nicht, dann wollen wir ihn im kommenden Sommer haben", sagte Heynckes.

Er ist ein Anti-van-Gaal, dieser Jupp Heynckes. Genau deshalb haben ihn die Verantwortlichen verpflichtet, wie sie in den vergangenen Jahren stets das Gegenteil des jeweiligen Vorgängers eingestellt hatten. Man will eine relativ entspannte Saison mit einem relativ ruhigen Trainer.

Verglichen damit, wie van Gaal in den vergangenen Jahren die erste Einheit zelebriert hat, könnte man nach dem lockeren und freundlichen ersten Auftritt von Jupp Heynckes tatsächlich den Schluss ziehen: Es wird ein sehr entspanntes Jahr beim FC Bayern.

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