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Königsetappensieger Tadej Pogacar:Wie ein Formel-1-Fahrer in den Pyrenäen

Lesezeit: 2 min

Tadej Pogacar gewinnt den schwersten Abschnitt der Tour mit einer Machtdemonstration: Während die Konkurrenten sich mit schmerzverzerrtem Gesicht quälen, scheint der Gesamtführende regelrecht zu lächeln.

Von Johannes Aumüller, Saint-Lary-Soulan

Vor der bisher letzten Auffahrt des Pelotons auf den Col du Portet hatten sich die Macher der Tour de France eine ulkige Idee ausgedacht. Nur 65 Kilometer war die Etappe im Jahr 2018 lang, dafür startete das Feld nicht in der üblichen Form, sondern hintereinander wie bei der Formel 1: ganz vorne das Gelbe Trikot, dann der Rest des Pelotons gestaffelt danach. Der Ansatz erwies sich ziemlich schnell als Quatsch und ist nie mehr wiederholt worden. Aber als an diesem Mittwoch die Tour de France zum Finale der Königsetappe erneut diesen Pyrenäen-Anstieg hinauffuhr und der slowenische Dominator Tadej Pogacar, 22, mit seinem zweiten Etappensieg seinen Vorsprung in der Gesamtwertung noch weiter ausbaute, konnte einem noch mal die Formel 1 in den Sinn kommen: Weil Pogacar in gewissen Sinn einen Start-Ziel-Sieg feierte, den er anscheinend unbedingt haben wollte.

Natürlich hat sich Pogacar nicht bei Kilometer null an die Spitze gesetzt und dann die ganze Zeit und über gleich drei schwere Pyrenäen-Berge das Feld angeführt, so funktioniert das im Radsport halt nicht. Aber der gesamte Auftritt an diesem wahrscheinlich schwersten Tag der Frankreich-Rundfahrt hatte etwas so Dominierendes und Zwangsläufiges, wie wenn in der Formel 1 der schnellste Fahrer mit dem besten Auto und der besten Rennstrategie von der Pole Position aus das Feld anführt. Natürlich, irgendetwas kann immer passieren, das ist der Sport. Aber irgendwie hatte man in dem Rennen das Gefühl, dass es eher zu einem Speisekarten-Bann für das in den Pyrenäen sehr beliebte Bigorre-Schwein kommt als dass dieser Pogacar den Etappensieg und auch den Toursieg verpasst.

Am Mittwoch lief das Ganze so ab, dass das Peloton erst einmal eine sechsköpfige Ausreißergruppe ziehen ließ, darunter am französischen Nationalfeiertag natürlich auch vier Franzosen. Pogacars UAE-Team gönnte denen ein paar Minuten Vorsprung, aber zugleich steuerte es in einem solchen Tempo über den Col de Peyresourde und den Col de Val Louron-Azet hinterher, dass recht bald klar war, dass man die Gruppe noch kriegen würde. Als Letzter blieb der Cofidis-Mann Anthony Perez übrig - doch 8,5 Kilometer vor dem Ziel war er von der Gruppe Pogacar eingeholt. Und dann gestaltete der Slowene sein eigenes kleines Rennen.

Pogacar scheint beim Bergauffahren zu lächeln

Jedes Mal, wenn er antrat, fielen Fahrer zurück, erst die Anwärter für die Ränge sechs bis zehn im Gesamtklassement, dann auch verblüffend früh der kolumbianische Podiumsanwärter Rigoberto Uran, der große Verlierer des Tages in der Gesamtwertung. Allein der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo-Visma) und der Ecuadorianer Richard Carapaz (Ineos) konnten Pogacar folgen, und zu dritt fuhren sie dann lange den Berg hinauf. Irgendwie machte das dem Slowenen offenbar sogar Spaß, zumindest schien er manchmal richtig zu lächeln, während ihn die Kollegen mit schmerzverzerrtem Gesicht begleiteten. Als sich Carapaz 1,5 Kilometer vor dem Ziel zum Überraschungsangriff entschied, folgte ihm Pogacar mit einer Leichtigkeit, als sitze er im Mercedes und der Kollege im Haas. Und als wiederum Pogacar hundert Meter vor dem Ziel den letzten entscheidenden Stich setzte, konnten ihm die beiden anderen nicht mehr folgen - auch wenn Pogacar selbst im Ziel erschöpft zu Boden sank.

"Das war ein fantastischer Tag. Im Gelben Trikot hier zu gewinnen, das kann ich gar nicht beschreiben", sagte Pogacar, der den unbedingten Willen für den Tagessieg so erklärte: Er habe das Werk der Kollegen vollenden wollen. 5:39 Minuten liegt er jetzt vor Vingegaard, dem neuen Gesamtzweiten, vier Sekunden dahinter folgt Carapaz. Uran hingegen rutschte auf Rang vier ab (+7:17). An diesem Donnerstag steht zwar noch eine letzte schwere Bergetappe an, 130 Kilometer lang, über den legendären Tourmalet geht es, und am Ende nach Luz-Ardiden. Aber dass Pogacar seinen Vorjahres-Triumph wiederholt, kann wohl höchstens noch jemand verhindern, der mit einem Formel-1-Auto teilnimmt.

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