Süddeutsche Zeitung

Tischtennis:Kein Ausrutscher am Beckenrand

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Der ASV Grünwettersbach sichert sich den vierten Playoff-Platz in der Tischtennis-Bundesliga. Für den TTC Neu-Ulm und den TSV Bad Königshofen ist die Saison damit zu Ende. Mit dem Erreichten sind beide zufrieden.

Von Andreas Liebmann, München

Wie immer hatten sie die besten Plätze in der ersten Reihe. Rekordeuropameister Timo Boll war übergroß zugegen und sah zu, wie sich der Grünwettersbacher Deni Kozul seinen vierten Matchball erkämpfte. Der Franzose Simon Gauzy, EM-Zweiter von 2016, jubelte gleich neben Boll. Auch der deutsche Tischtennis-Nationalspieler Patrick Franziska blickte unbewegt, aber zufrieden drein. Der Slowene Kozul jedenfalls, der im vierten Satz gegen Lubomir Jancarik bereits drei Matchbälle vergeben hatte, vergab nun noch seinen vierten.

Als Mühlhausens Jancarik den Ball dann ins Netz drosch, was Kozul mit dem fünften Matchball doch noch den 11:9, 9:11, 11:5, 11:13, 11:9-Sieg in diesem Einzel brachte, da sank der 24-Jährige in die Knie, er blickte erleichtert zur Decke und ballte die Fäuste. Und als Wang Xi kurz darauf nachlegte zum 3:1-Gesamtsieg für Grünwettersbach, da war klar: Für die Gastgeber, die nun wie Flummis durch die Halle hüpften, würde diese Saison noch ein bisschen weitergehen. 270 Kilometer östlich war sie dagegen in diesem Augenblick zu Ende. Die beiden bayerischen Vertreter in der Tischtennis-Bundesliga (TTBL), der TTC Neu-Ulm und der TSV Bad Königshofen, hatten die Playoff-Teilnahme an diesem letzten Spieltag verpasst.

Als Steger gleich zum Auftakt Lebesson unterliegt, ist bei Bad Königshofen die Luft raus

Sie waren die einzigen, die noch die Chance besessen hatten, den ASV Grünwettersbach vom vierten Tabellenplatz zu verdrängen, beide mussten dafür allerdings auf einen Ausrutscher des ASV hoffen und sich zugleich im bayerischen Derby durchsetzen. Der Ausrutscher aber passierte nicht.

Boll, Franziska und Gauzy waren auch nicht wirklich live dabei am Sonntag, sie waren ja allesamt selbst im Einsatz, Boll für Düsseldorf, Franziska für Saarbrücken und Gauzy für Ochsenhausen. Es ist nur so, dass diese drei Teams, die ihre Playoff-Plätze bereits gesichert hatten, 2020 auch gemeinsam im Final Four des Pokals standen. Vierter im Bunde - und sensationeller Sieger - war damals der ASV Grünwettersbach. Als Erinnerung an diesen Erfolg hat der Verein seitdem eine ganze Wand seiner Halle mit dem in rot und blau gehaltenen Veranstaltungstransparent von damals verziert, weshalb Boll und Co. seitdem bei jedem Spiel in Übergröße zu sehen sind. Gewissermaßen am Beckenrand, denn Grünwettersbach trägt seine Partien in einem umgebauten Schwimmbad aus. Und witzigerweise steht dort etwa auf Netzhöhe auch "Ulm/Neu-Ulm" geschrieben, der damalige Veranstaltungsort.

Der TTC Neu-Ulm hatte sein Möglichstes im Fernduell zu diesem Zeitpunkt bereits erledigt, er hatte sich mit 3:0 gegen den TSV Bad Königshofen durchgesetzt. In ihrer Analyse waren sich die Verantwortlichen einig. Die Unterfranken sprachen von ihrer schlechtesten Saisonleistung, auch Neu-Ulms Vereinschef Florian Ebner erkannte: "Die haben nicht so gut gespielt, wie sie es können." Die theoretische Chance für den TSV Bad Königshofen war ohnehin winzig gewesen, weil er sich möglichst mit 3:0 hätte durchsetzen müssen, um im Spielverhältnis an Grünwettersbach vorbeiziehen zu können. Als Bastian Steger dann zum Auftakt Emmanuel Lebesson unterlag, "war bei denen die Luft raus", vermutete Ebner.

Man habe nun die talentiertesten europäischen Spieler zwischen 18 und 20 Jahren beisammen, sagt Neu-Ulms Vereinschef

Steger ist am vergangenen Freitag 40 geworden, elf Tage nach Timo Boll, der am Sonntag für Düsseldorf ebenfalls sein Einzel verlor, 2:3 gegen Darko Jorgic. Es war nicht der Spieltag der Jubilare. Trotzdem hat Steger eine starke Spielzeit hinter sich. Teammanager Andreas Albert zog ein positives Fazit. "Es war eine tolle Saison", wenn auch ohne Zuschauer in den Hallen. Gerade bastelt er am Budget für 2021/22, die neue Mannschaft steht bereits. Einzige Änderung: Für Pechvogel Abdel-Kader Salifou, der nach einer Corona-Erkrankung nie zurück zu seiner Bestform fand, kommt aus der Neu-Ulmer Trainingsgruppe der 19-jährige Maksim Grebnev. Der werde ihnen "Freude machen", ist sich Albert sicher. Außerdem hofft er auf weitere Steigerungen von Kilian Ort und Filip Zeljko, die am Sonntag Tiago Apolonia und Vladimir Sidorenko unterlagen. Salifou war bei seiner Verabschiedung wegen einer Knöchelverletzung zum Zuschauen gezwungen.

Der Verlust des TTC Neu-Ulm wiegt sportlich schwerer, das zeigte dieser letzte Spieltag einmal mehr. Er lässt den Franzosen Lebesson auf dessen Wunsch hin ziehen. "Ein echter Einser", bedauerte Ebner, der auch "den ganz Großen" jederzeit Paroli bieten und an einem guten Tag jeden in der Liga bezwingen könne. Auch Ebner war hochzufrieden mit dieser Saison, die man nun mit einem Sieg habe abschließen können statt mit zwei sehr wahrscheinlichen Playoff-Niederlagen gegen Düsseldorf.

Und nun blicke er "voller Erwartungen" nach vorne. Der Kader wurde um Ioannis Sgouropoulos, 20, und Lev Katsmann, 19, erweitert, nun hätten sie mit Sidorenko und Kay Stumper die talentiertesten europäischen Spieler dieses Alters beisammen. Die kommende Saison werde eine Durststrecke, aber ein Jahr später wolle er dann die Playoffs angreifen. Ein bisschen Geduld werde man bis dahin schon haben müssen mit den Jungen - schließlich hängen europäische Größen wie Boll, Gauzy und Franziska in der TTBL eben nicht nur am Grünwettersbacher Beckenrand herum.

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