Süddeutsche Zeitung

Champions League:Thomas Doll im Kreise der Reichsten und Besten?

Lesezeit: 2 min

Von Sebastian Fischer, München

Die Champions League ist die größte Bühne des Vereinsfußballs, dort treffen sich die Besten und Reichen und werden noch reicher und besser, und es sind die wohl wunderlichsten Geschichten des Sports, wenn in solche Kreise jemand stößt, den man dort überhaupt nicht erwarten würde. Europapokal der Landesmeister, so hieß der Wettbewerb früher. Der Trainer Thomas Doll war in der vergangenen Saison ein Absteiger.

An diesem Dienstag beginnt die letzte Stufe der Qualifikation, der Schweizer Meister Young Boys Bern trifft auf Serbiens Meister Roter Stern Belgrad, Rosenborg Trondheim empfängt Dinamo Zagreb, durchaus klangvolle Namen des Weltfußballs. Der größte Name ist Ajax Amsterdam, Champions-League-Halbfinalist in der vergangenen Saison. Und Ajax trifft auf Zyperns Meister Apoel Nikosia, der seit zwölf Tagen von Doll trainiert wird. Jenen Trainer, der vor rund drei Monaten mit Hannover 96 in die zweite Liga abstieg und in Hannover nicht mehr gewollt war.

Es sei "großartig" für ihn, in der Champions-League-Qualifikation zu spielen, sagte Doll nach seinem ersten Sieg im ersten Spiel, einem 2:0 im Rückspiel der dritten Qualifikationsrunde gegen FK Quarabag Agdam in Baku. "Denn ich habe keine einfache Saison hinter mir."

Es war bereits im Januar eine durchaus überraschende Wendung gewesen, dass Doll noch mal auf eine größere Fußballbühne zurückkehrte, in die Bundesliga. Der frühere Nationalspieler hatte zwar zuvor mit Ferencvaros Budapest in Ungarn große Erfolge gefeiert, doch in Deutschland hatte er seit seiner Entlassung bei Borussia Dortmund 2008 keinen Klub mehr trainiert. Mit Hannover verlor er dann von 15 Spielen elf, und in Erinnerung blieben vor allem seine mitunter kuriosen Kommentierungen der Niederlagen. Er schimpfte oft über die eigenen Spieler. Einmal, nach einem 1:5 beim VfB Stuttgart, sagte er: "Es macht zurzeit überhaupt keinen Spaß." Immer wieder forderte er, die Mannschaft müsse nun endlich "alles raushauen". Man tritt Doll wohl mit der Behauptung nicht zu nahe, dass er eher zur konservativen Trainerschule zählt - und dass er die Gelegenheit eher verpasste, für sich zu werben.

Auf die Frage, ob er damit gerechnet habe, schnell wieder einen Job zu finden, sagte Doll nach seiner Anstellung in Nikosia im Gespräch mit dem Redaktions-Netzwerk Deutschland: "Ehrlich gesagt nein."

Zwei Spiele und eine Sensation von der Champions League entfernt

Er profitierte offenbar von der Impulsivität des Vereinspräsidenten Phivos Erotokritou. Am ersten Dienstag im August verlor Nikosia, 28-maliger Landesmeister, das Hinspiel gegen Quarabag Agdam mit 1:2. Dolls Vorgänger Paolo Tramezzani war danach bereits nach dem dritten Pflichtspiel der neuen Saison entlassen, die Meisterschaft hat noch nicht begonnen. Am darauffolgenden Mittwoch, erzählte Doll, habe er sich bereits mit Erotokritou getroffen. Am Donnerstag stand er auf dem Trainingsplatz. Zu Beginn der Woche darauf gab er voller Zuversicht die Pressekonferenz vor dem Rückspiel auf Englisch. "We will do this better tomorrow", sagte er.

Doll, 53, hat auf Zypern einen Vertrag bis 2021 unterschrieben, er hat seinen langjährigen Assistenten Ralf Zumdick an seiner Seite. Er trainiert eine Mannschaft mit Spielern aus 16 Nationen, ihm gefalle das Trainingszentrum und das Potenzial des Teams, "alles bestens". Er habe ja eigentlich nichts mit diesem Erfolg zu tun, sagte er nach dem Rückspiel. Er sei ja erst ein paar Tage da. Auf dem Video der Pressekonferenz ist zu sehen, wie er seine Arme wie für eine Umarmung hebt.

"0:3, 0:3, 0:3, 1:5 - dazwischen mal ein 2:0 gegen den 1. FC Nürnberg. Dafür bin ich nicht zurück in die Bundesliga gekommen. Mir geht diese Situation total auf den Sack." Das hat Doll vor weniger als einem halben Jahr gesagt. Nun ist er zwei Spiele und eine Sensation entfernt von der Champions League.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2019
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