Tennis:"Frauen verdienen genau, was sie verdienen"
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Heinz Günthardt, der frühere Trainer von Steffi Graf, findet die Bezahlung im Tennis marktgerecht. Angelique Kerber traut er noch viel zu.
Von Gerald Kleffmann, Stuttgart
Steffi Grafs früherer Trainer Heinz Günthardt traut Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber noch weitere große Triumphe zu. "Den ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen, ist immer das Schwierigste. Aber dann weiß man, dass man dazu fähig ist", sagt der 57-jährige Schweizer, der als einer der größten Experten im Frauentennis gilt. "Kerbers Sieg in Melbourne war eine kleine Sensation, Serena Williams war die große Favoritin. Aber jetzt bin ich sicher: In ihrem Spiel stecken noch einige Grand-Slam-Titel", sagt Günthardt im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Der frühere Profi, der im Doppel die Nummer drei der Weltrangliste war und heute eine wichtige Rolle im Schweizer Tennis als Chef des Fed-Cup-Teams spielt, verteidigt die Gleichbezahlung von Frauen und Männern bei den Grand-Slam-Turnieren und drei weiteren gemeinsamen Veranstaltungen; zuletzt hatte es viele Debatten über die adäquate Verteilung von Preisgeldern gegeben. "Grundsätzlich ist das Tennis-Umfeld sehr kapitalistisch. Tennis ist Turbokapitalismus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in irgendwelchen Tarifverhandlungen solche Differenzen ausgehandelt würden wie beim Thema Preisgeld von Turnieren", sagt Günthardt, "es wird nichts verschenkt. Die Turnierveranstalter verteilen die Gelder marktgerecht. Somit verdienen die Frauen genau das, was sie verdienen."
Auch wenn Günthardt die Leistungsdichte im Frauentennis heute "viel, viel höher als früher" einschätzt, glaubt er, dass "die absolut Besten damals wie Steffi Graf oder Martina Navratilova heute vorne mitspielen würden. Weil sie Top-Athletinnen waren". Grundsätzlich fehlt Günthardt, der aktuell beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart, dem größten deutschen Frauenturnier, als Hallensprecher fungiert, hin und wieder aber der Variantenreichtum im Tennis. Schon aus ganz pragmatischen Gründen. "Der Slice ist keineswegs immer ein defensiver Schlag, wie viele offenbar denken. Der Slice ist auch heute noch effektiv. Man sah das anschaulich an der Italienerin Roberta Vinci, die im letzten Herbst bei den US Open im Finale stand und zuvor Serena Williams besiegen konnte mit ihrer Spielweise", sagt er. Er bedauert daher, dass der Schlag mit Unterschnitt fast ausgestorben ist.
Warum Günthardt die Trainerarbeit früherer Profis wie Boris Becker für besonders wichtig für das Tennis erachtet und welche Talente die nächste Epoche im Frauentennis prägen könnten, erklärt er im SZ-Interview.