Süddeutsche Zeitung

Bibiana Steinhaus:Noch einmal "die Erste" sein

Lesezeit: 2 min

Mit dem Supercup beendet Bibiana Steinhaus ihre Karriere als Schiedsrichterin auf dem Platz. In ihrem letzten Spiel gelingt ihr ein weiterer Pionierschritt.

Von Martin Schneider

Zum Abschied war Bibiana Steinhaus noch einmal "die Erste". Noch nie zuvor hatte eine Schiedsrichterin in Deutschland ein Männerfinale gepfiffen und mit dem Supercup hatte Steinhaus nun auch diesen Pionierschritt getan. Es war kein schwieriges Spiel, einmal stieg sie elegant über einen Querpass, unterhielt sich locker mit Robert Lewandowski und Emre Can. Als Lucas Hernández einmal Erling Haaland beim Konter abräumte, schrie der Verteidiger Steinhaus in seinem Furor aus kurzer Distanz an. Sie lächelte und zeigte ihm zu Recht Gelb. Und mit dem Schlusspfiff beendete sie das Spiel und ihre eigene Karriere auf dem Platz - es war das letzte Spiel der ersten Schiedsrichterin in der Fußball-Bundesliga der Männer.

Vor dem Spiel überreichte ihr Liga-Chef Christian Seifert einen Blumenstrauß und einen Fußball. Ausnahmsweise wird Steinhaus sich darüber gefreut haben, denn sonst war ihr Credo: Nicht im Fokus stehen. Das liegt zum einen daran, dass nahezu jeder Schiedsrichter diese Einstellung vertritt - der unsichtbare Schiedsrichter ist ja der beste Schiedsrichter. Aber sie wollte auch nie ins Zentrum des Interesses, weil sie als Frau fast immer "die Erste" war. "Am Ende des Tages zählt die Leistung und nicht das Geschlecht", war der Satz, den sie in verschiedenen Varianten immer und immer wieder gesagt hat.

Natürlich bekam sie die Aufmerksamkeit trotzdem. Sie musste quasi im letzten Schritt ausbaden, was ein System angerichtet hatte, das Frauen nicht schon vor 2017 den Zugang zur Männer-Bundesliga ermöglichte. Stimmen, dass man sie aufgrund ihrer Leistung schon vorher hätte befördern können, gab es übrigens zahlreiche. Seit 1999 war sie DFB-, seit 2005 Fifa-Schiedsrichterin, zehn Jahre lang war sie in der zweiten Liga aktiv. 23 Bundesligaspiele pfiff sie schließlich, gab vier Elfmeter, kam komplett ohne Platzverweis aus und Beschwerden gab es eigentlich keine.

Jedes dieser 23 Spiele macht es für Nachfolgerinnen ein bisschen einfacher, das ist Steinhaus' großes Erbe. 56 600 Schiedsrichter pfeifen aktuell beim DFB, davon sind 2194 Frauen. Riem Hussein pfeift bei den Herren in der dritten Liga, Katrin Rafalski ist Assistentin in der zweiten Liga, beide sind aber schon 40 bzw. 38 Jahre alt, ein Aufstieg in die Bundesliga wird schwer - das Alterslimit für Schiedsrichter liegt bei 47. In der Bundesliga der Frauen pfeift übrigens kein einziger Mann.

"Wie viele Menschen in der Zeit der Corona-Situation habe ich manches reflektiert und neu bewertet", zitierte der Deutsche Fußball-Bund Steinhaus vor dem Spiel. Über die Gründe ihres Rückzugs wolle sie später sprechen. Der Fokus, sagte die 41-Jährige, solle nicht auf ihr, sondern allein auf dem Spiel liegen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5051435
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.10.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.