Süddeutsche Zeitung

SpVgg Unterhaching:Erstaunliche Blüten im Bio-Laden

Lesezeit: 3 min

Das Thema Drittligaverbleib hat die SpVgg abgehakt. Nun will sie in den Kampf um die Aufstiegsplätze eingreifen, sagt Präsident Manfred Schwabl. Und plant für die nächste Saison zweigleisig.

Von Stefan Galler

Marc Unterberger ist eigentlich nicht so der gefühlsduselige Typ. Und doch wirkte der Trainer des Fußball-Drittligisten SpVgg Unterhaching am Sonntag nach dem 1:0-Heimsieg gegen den MSV Duisburg ein wenig gerührt: "Wir hatten heute 6850 Zuschauer ohne Freikartenaktion. Vielleicht spiegelt das die Gesamtentwicklung im Verein wider", sagte der 35-Jährige. "Aktuell habe ich mehr denn je das Gefühl, dass dieser Klub im Aufblühen ist."

Sage und schreibe 46 Punkte hat der Aufsteiger aus dem Münchner Vorort nach 28 Spielen gesammelt, der Rückstand auf Relegationsplatz drei beträgt sieben Punkte, aber man hat im Vergleich zur Konkurrenz noch ein Nachholspiel in der Hinterhand. "Diese Leistung ist mit unseren Voraussetzungen eigentlich unfassbar", sagt Unterberger, der das Spiel am Sonntag (16.30 Uhr) beim SV Sandhausen noch abwarten will, ehe er in der Länderspielpause sehen wolle, "wohin wir unsere Kraken noch ausstrecken können".

Sogar Präsident Manfred Schwabl, der sich noch in der Winterpause trotz zehn Punkten Vorsprung auf die Abstiegszone Sorgen um den Ligaverbleib gemacht hatte, ist mittlerweile entspannt: "Ich bin letzten Montag zum ersten Mal sportlich-tabellarisch glücklich aufgewacht." Er habe der Mannschaft gesagt, dass fortan Träumen erlaubt sei: "Wir können nur noch gewinnen, deshalb sollten wir nach oben schielen."

Doch was würde ein weiterer Aufstieg für die SpVgg bedeuten? "Wirtschaftlich ist ja kein Geheimnis, dass es nur Vorteile hätte", sagt Schwabl. Alleine die Grundsumme der Fernsehgelder würde von 1,3 Millionen auf acht Millionen Euro steigen. "Am Stadion wäre sicher etwas zu tun, alleine schon die Überdachung sämtlicher Tribünenplätze. Aber da hätten wir ja ein Übergangsjahr lang Zeit." Die Lizenzunterlagen für die zweite Liga habe er jedenfalls abgegeben, ein immenser bürokratischer Aufwand sei das gewesen.

Im Gegensatz zum Vorjahr, als lange nicht klar war, ob man überhaupt den Sprung aus der Regionalliga in die dritte Liga wagen würde, sei diesmal "alles relaxter". Und überhaupt wäre ein Erreichen der Aufstiegsspiele gegen den Drittletzten der zweiten Liga ein "absolutes Luxusthema", wie der 57-Jährige betont: "Mein Ziel als Kaufmann ist es, nicht unbedingt hoch zu müssen, sondern einen Aufstieg mitzunehmen. Aber nur, wenn es möglich ist, die Strategie, auf Talente und ein paar Ankerspieler zu setzen, beibehalten zu können." Im Zweifelsfall fahre er "17 Mal durch Deutschland, schaue mir die Städte an und kehre dann in die dritte Liga zurück". Vorbild sei der 1. FC Heidenheim, der "die Eier hat, seinen eingeschlagenen Weg in jeder Liga fortzusetzen".

Die meisten Ankerspieler sollen bleiben, nur bei Stürmer Hobsch könnte ein Wechsel im Raum stehen

Die Personalplanungen laufen laut dem Hachinger Präsidenten jedenfalls völlig unabhängig von der künftigen Spielklasse. Die auslaufenden Verträge der "Ankerspieler" Simon Skarlatidis, Manuel Stiefler und Sebastian Maier sollen nach Möglichkeit verlängert werden, sagt Schwabl. Bei Stürmer Patrick Hobsch könne es sein, dass dieser eine neue Herausforderung suche. "Er ist 29, ein echt guter Typ. Wenn er anderswo das Drei- oder Vierfache verdienen kann, drücken wir nicht auf die Tränendrüse, sondern gratulieren ihm", sagt Schwabl. Und während Torwart René Vollath und Angreifer Mathias Fetsch noch einen Vertrag haben, sollen Josef Welzmüller und Präsidentensohn Markus Schwabl "mit sich selbst verhandeln" - die beiden sind auch Technischer Direktor beziehungsweise Sportdirektor des Klubs.

Weiterhin will man bei der SpVgg das Hauptaugenmerk auf die Talentförderung legen, dabei hat Schwabl vor allem den Nachwuchsfördertopf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Blick. Im bisherigen Saisonverlauf verbuchte der Vorstadtklub 40 Prozent aller Einsatzzeiten deutscher U21-Spieler in Liga drei. Der Präsident hofft, dass aus dem "Töpfchen" (Schwabl) bald eine richtige Schüssel mit aufgestockten Fördermitteln wird, eventuell aus Mitteln der Deutschen Fußball-Liga (DFL).

Die Nachwuchsarbeit im Sportpark bleibt anderen Vereinen jedenfalls nicht verborgen: Immer mehr offizielle Späher der Klubs akkreditieren sich für die Spiele der Unterhachinger, die erstaunliche Blüten treiben. Ob dann eines der Talente tatsächlich verkauft wird, "entscheidet der Markt, also Angebot und Nachfrage", wie Schwabl betont: "Wir sind ein Bio-, kein Ramsch-Laden." Den Marktwert jedenfalls lege nicht irgendein Internetportal fest, sondern der abgebende Verein.

Einer der Verkaufskandidaten könnte Maurice Krattenmacher sein. Der 18-Jährige verbuchte zuletzt ein Tor und einen Assist beim 3:1-Sieg in Essen und war Vorbereiter des entscheidenden 1:0 von Sebastian Maier gegen Duisburg. Krattenmacher sagt, er mache sich "noch keine Gedanken", wie es für ihn im Sommer weitergehen soll. An der SpVgg schätze er "das familiäre Umfeld" - der gebürtige Bad Aiblinger spielt seit seinem zwölften Lebensjahr hier. Jetzt scheint er auf dem Sprung zu höheren Weihen zu sein, fühlt sich nach seiner Verletzung endlich fit. "Viel Spielzeit hilft mir weiter, aber manchmal bekommt man in dieser Liga schon arg auf die Knochen, zum Beispiel zuletzt in Essen", erzählt er. Dass er von der gleichen Berateragentur vertreten wird wie Jamal Musiala und Leroy Sané, lässt ihn kalt: "Kann sein", sagt er achselzuckend.

Krattenmacher ist nur eines von mehreren Beispielen, wie in Unterhaching Talente behutsam aufgebaut werden. Gleiches gilt für Aaron Keller, 19. Auch für den Deutsch-Schweizer kommen Beobachter in den Sportpark, übrigens auch vom Verband der Eidgenossen, die ihn gerne für eine Nationalmannschaftskarriere rekrutieren möchten. "Er hat aber auch die deutsche Staatsbürgerschaft", unterstreicht Schwabl. Über den früheren Hachinger NLZ-Leiter und heutigen Co-Trainer der U-16-Nationalmannschaft, Mario Himsl, besteht auch ein Kontakt zum Deutschen Fußball-Bund. Was nicht heißt, dass sie in Unterhaching neben ihrer eigenen Zukunft auch noch die der DFB-Elf gewährleisten müssen.

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