Süddeutsche Zeitung

SpVgg Greuther Fürth:Renaissance im Biotop

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Beim 3:0 gegen St. Pauli zeigt Fürths Branimir Hrgota, dass er zu Höherem berufen ist. Aber in der zweiten Liga darf er endlich spielen.

Von Sebastian Leisgang

Branimir Hrgota hat im Laufe seiner Karriere eine Menge Interviews gegeben, man kann das im Netz nachvollziehen. Wer Hrgotas Namen in einer Suchmaschine eingibt, der findet mehr Zitate, die darum kreisen, dass er, Hrgota, geduldig bleiben und auf seine Chance warten müsse, als solche, in denen er sagt: Hier darf ich Tore schießen! Am Dienstagabend, nach dem 3:0 (1:0) der SpVgg Greuther Fürth gegen den FC St. Pauli, da sagt er es aber: "Hier darf ich Tore schießen."

Eigentlich ist es ein beiläufiger Satz, kaum der Beachtung wert, doch er trifft den Kern von Hrgotas Lebensgeschichte.

Hrgota, 27, spielt in dieser Saison ja auch deshalb für Fürth: Weil er in seiner zweiten Saison bei Eintracht Frankfurt eben nicht mehr Tore schießen durfte. Er durfte nicht mal Fußball spielen, im gesamten Jahr kamen nur vier Minuten zusammen. Wenn man so will, kann man sagen: Hrgota war gescheitert, und wer als gescheitert gilt, hat es besonders schwer, wieder aufzustehen. Es ist nicht leicht, einen Stempel loszuwerden. Andererseits: Wer als gescheitert gilt, hat es leicht, weil der Druck der Erwartungen gewichen ist.

Als Hrgota am Dienstagabend in den Katakomben des Fürther Stadions steht, sagt er: "Die alten Zeiten sind vorbei, da denke ich nicht mehr dran." Der Schwede will sich nicht mehr mit der Vergangenheit befassen, doch in der Gegenwart, in Fürth, geht es auch um die Vergangenheit, darum, etwas zu beweisen, zu zeigen, dass er es sehr wohl kann. Wie in dieser Szene kurz vor der Halbzeit, 25 Meter vor St. Paulis Tor, die gesamte Abwehr vor ihm. Und Hrgota? Eine Ballannahme, eine Drehung, ein Dribbling, ein Blick, ein Schuss, der vor Kraft strotzt - 1:0. Ein Tor, das nur wenige in der zweiten Fußball-Bundesliga erzielen. "Das ist individuelle Qualität, die er hat", lobt Stefan Leitl, Fürths Trainer.

Nach seiner schweren Zeit in Frankfurt ist Hrgota bewusst einen Schritt zurückgegangen. In Fürth, auf dem zweiten Bildungsweg, erlebt er nun seine Renaissance. Neun Tore hat er bislang erzielt, er ist einer der besten Angreifer, die in den Strafräumen zwischen Kiel und Stuttgart zu Hause sind. Deshalb könnte schon bald jenes Thema ein großes werden, das in Fürth unterschwellig ohnehin immer eines ist: dass sich die Spielvereinigung oft dem Fluch der guten Tat ergeben muss. Dass also Spieler gerade deshalb nach Fürth kommen, weil sie bei einem anderen Klub in eine Sackgasse geraten sind. Dass sie dann in der Idylle Mittelfrankens zurück zu sich finden, dass sie plötzlich wieder auf der Überholspur unterwegs sind, und dass sie sich dann wieder verabschieden aus dem Fürther Biotop.

Auch Hrgota macht kein Geheimnis daraus, dass ihn eine Rückkehr in die Bundesliga reizt. "Jeder Spieler will höher spielen", sagt er, fügt dann aber pflichtbewusst an: "Ich konzentriere mich auf das, was ich hier mache." Der Pressesprecher, der neben ihm steht, wird nervös, man spürt das von Sekunde zu Sekunde mehr. Er weiß, dass die Personalie Hrgota äußerst sensibel ist. Deshalb schreitet er irgendwann ein und fragt: "Hat noch jemand eine Frage zum Spiel?"

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SZ vom 30.01.2020
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