Süddeutsche Zeitung

SpVgg Greuther Fürth:Die Gunst des Sieges

Lesezeit: 3 min

"Als wir ständig verloren haben, hätte es nach einer Ausrede geklungen": Fürths Geschäftsführer Rachid Azzouzi nutzt die Gelegenheit, um nach dem 1:0 gegen Union Berlin auf die vielen Verletzten zu verweisen.

Von Sebastian Leisgang

Wie würde sich Julian Nagelsmann wohl entscheiden? Eine spannende Frage ist das, der Trainer des FC Bayern hätte ja auch dann noch ein paar Optionen, wenn Dayot Upamecano, Niklas Süle und Lucas Hernandez nicht spielen könnten. Würde Nagelsmann in diesem Falle Robert Lewandowski als Innenverteidiger aufstellen, weil der ja weiß, worauf es in einem Strafraum ankommt? Oder würde Nagelsmann eher Manuel Neuer aus dem Tor nehmen, weil der eh ein guter Libero ist und sein Zeug bestimmt auch dann macht, wenn noch einer neben ihm spielt?

Wahrscheinlich ist, dass Nagelsmann an der Seite von Benjamin Pavard einfach auf Tanguy Nianzou setzen und damit eine Innenverteidigung aufbieten würde, die sich vermutlich eher nicht sieben Tore in Leverkusen einhandelt.

"Wir spielen seit Wochen mit nur einem Innenverteidiger." Diesen Satz sagte Rachid Azzouzi am Montag und zog dann einen Vergleich zum FC Bayern. Was das wohl zur Folge hätte, fragte der Geschäftsführer der SpVgg Greuther Fürth für den Fall, dass Nagelsmann ebenso lange auf drei Innenverteidiger verzichten müsste wie sein Fürther Kollege Stefan Leitl. Ob die Bayern auch dann sechs Punkte Vorsprung auf Borussia Dortmund hätten?

Azzouzi, 50, weiß, dass der Vergleich mit den Bayern ebenso hinkt wie seine Abwehrspieler, die nun schon seit Wochen ausfallen - was er aber zum Ausdruck bringen will: Es kommt nicht von ungefähr, dass Fürth nach 15 Spielen mit nur vier Punkten und einem Torverhältnis von 13:46 dasteht.

"Es macht was mit einer Mannschaft, wenn du immer wieder umstellen musst."

"Wenn ich auf die Verletzten hingewiesen hätte, als wir ständig verloren haben, hätte es nach einer Ausrede geklungen", sagt Azzouzi und nutzt deshalb die Gunst des ersten Saisonsieges, den Fürth am Sonntagnachmittag mit einem 1:0 gegen Union Berlin eingefahren hat. "Es macht was mit einer Mannschaft, wenn du immer wieder umstellen musst", sagt Azzouzi, "das ist keine Entschuldigung für die Niederlagen, es ist aber ein Grund."

Während Gideon Jung, Nick Viergever und Justin Hoogma in den vergangenen Wochen auf der Tribüne saßen, spielten die Fürther mit einer Viererkette, die noch mehr Löcher hatte als das Tornetz, in dem der Ball dann oft landete. Leitls Mannschaft fand keinen Halt, Niederlage reihte sich an Niederlage, die Spielvereinigung geriet in einen Abwärtsstrudel.

Die Fürther haben dem Strudel zwar nichts getan, doch der Strudel gab nichts darauf, dass es die Spieler nur gut meinten, als sie wieder und wieder nach vorne rannten. Sie wollten den Leuten halt was bieten, wie sie das schon in der zweiten Liga getan hatten, das Blöde war nur: Gerade weil sie nach vorne rannten, schlug es hinten derart oft ein, dass der Strudel immer gemeiner wurde. Irgendwann kümmerte es ihn auch nicht mehr, dass die Fürther irgendwann mit einer Behelfsabwehr spielen mussten, in der Spieler wie Hans Nunoo Sarpei und Sebastian Grießbeck auftauchten, weil Leitl ja nicht mal die Optionen Lewandowski und Neuer hatte.

In Ekstase verfällt niemand: Mittlerweile ist ja schon Mitte Dezember, und die Fürther haben erst vier Punkte

Auch am Sonntag gegen Union verteidigte Grießbeck im Abwehrzentrum, tags darauf sagt Azzouzi mit Blick auf den ersten Saisonsieg: "Die Erleichterung ist natürlich sehr, sehr groß, aber der Trainer hat es bei der Pressekonferenz nach dem Spiel schon richtig gesagt: In Ekstase verfallen wir nicht." Mittlerweile ist ja schon Mitte Dezember, und die Fürther haben erst vier Punkte. Andererseits, und auch so könnte man es sehen: Es ist erst Mitte Dezember, und die Fürther könnten noch 57 Punkte holen.

Das ist eine Logik, auf die sich Trainer gerne berufen, wenn ihre Mannschaft in der Saison nur noch drei Spiele vor und in der Tabelle keinen einzigen Klub mehr hinter sich hat. Neun Punkte seien doch noch zu vergeben, sagen Trainer dann oft und vergessen natürlich auch nicht diesen einen Satz, in dem es darum geht, für wen was wie lange rechnerisch möglich ist.

In Fürth sagen sie sowas nicht. In Fürth sagen sie in Person von Azzouzi zum Beispiel: "Bei uns muss alles zusammenpassen, damit wir in der Bundesliga Spiele gewinnen." Azzouzi weiß ja, dass die Aussichten auf den Klassenverbleib trotz des Sieges gegen Union äußerst düster sind.

Schon am Mittwoch steht das nächste Spiel an. Der Gegner: Borussia Dortmund.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5487208
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.