Süddeutsche Zeitung

Ski Langlauf:Doping durch Sonnencreme

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Von Joachim Mölter, Oslo/München

Unabhängig davon, wie diese Sache noch ausgehen mag, kann man bereits behaupten, dass dieser Donnerstag, der 13. Oktober des Jahres 2016, als besonders schwarzer Tag in die Geschichte des norwegischen Sports eingehen wird: als der Tag, an dem die populäre Skilangläuferin Therese Johaug - Staffel-Olympiasiegerin von 2010, siebenmalige Weltmeisterin und alle überragende Läuferin des vorigen Winters - einen Verstoß gegen die Dopingregeln einräumen musste.

"Diese Sache schlägt im internationalen Langlaufsport ein wie eine Bombe", schrieb die Tageszeitung Aftenposten, sogar wie eine "gigantische Bombe", bestätigte das finnische Blatt Ilta-Sanomat. Die Erschütterungen reichten bis nach Schweden, dem ewigen Rivalen in Sachen Ski-Langlauf: Dort sendeten zwei Zeitungen auf ihren Online-Portalen live aus Oslo, als die sichtlich mitgenommene Therese Johaug erklärte, was geschehen war.

Am 16. September ist die 28-Jährige während des Höhentrainingslagers mit dem Nationalteam im italienischen Ort Livigno von Norwegens Anti-Doping-Agentur kontrolliert worden. Der Test schlug an auf das Mittel Clostebol, ein nicht ganz so stark wirkendes Steroid, das auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) steht: Es ermöglicht einen gemäßigten Muskelaufbau, wobei keine Nebenwirkungen bekannt sind. Johaug erzählte nun, dass diese Substanz über die Creme Trofodermin in ihren Körper gelangt sei; die habe ihr der Teamarzt Fredrik Bendiksen zur Behandlung eines Sonnenbrandes auf der Lippe gegeben. "Ich bin am Boden zerstört und verzweifelt", sagte Johaug und versicherte: "Es ist nicht meine Schuld - obwohl mir natürlich klar ist, dass ich als Athletin die Verantwortung habe für die Medikamente, die ich benutze."

Der Doktor Bendiksen nahm alle Schuld auf sich und die Athletin in Schutz: "Es war mein Fehler, dass sie in dieser Situation gelandet ist." Nachdem eine zunächst verwendete Salbe nicht gewirkt habe, habe er in einer italienischen Apotheke eine andere besorgt und dabei nicht gemerkt, dass sie einen verbotenen Stoff enthielt, erklärte er: "Das Wichtigste für mich ist jetzt, alles zu tun, dass Therese nicht bestraft wird wegen einer Creme, von der ich ihr versichert habe, dass sie zugelassen ist."

Ob und wie Therese Johaug bestraft wird, ist derzeit unklar. Beim Ski-Weltverband Fis will man erst die weitere Entwicklung des Falles verfolgen. "Wir müssen abwarten, wie die norwegische Anti-Doping-Agentur und der norwegische Verband damit umgehen", sagte Generalsekretärin Sarah Lewis, die freilich einräumte: "Grundsätzlich ist es für Norwegen ein sehr unglücklicher Zeitpunkt, so kurz vor Beginn der Saison mit einer WM in Skandinavien."

Das ist es in der Tat. Die nordische Ski-WM findet Ende Februar in der finnischen Stadt Lahti statt, dort, wo bei den Titelkämpfen 2001 sechs einheimische Langläufer des Dopings mit dem Blutplasma-Expander HES überführt wurden, was den dortigen Verband in eine lang anhaltende Krise stürzte. Ähnliches droht nun der zuletzt dominierenden Ski-Langlauf-Nation Norwegen, denn Therese Johaug ist kein Einzelfall. Erst im Juli hat der internationale Sportgerichtshof Cas den früheren Weltcup-Gesamtsieger Martin Johnsrud Sundby gesperrt, wegen eines geringen Doping-Verstoßes für zwei Monate. Norwegens Verband hatte zwar die Verantwortung für zwei positive Proben auf das Asthma-Mittel Salbutamol übernommen, das ebenfalls eine anabole Wirkung hat. Doch der Cas stellte fest, dass Sundby eine besondere Ausnahmegenehmigung benötigt hätte. Teamarzt Knut Gabrielsen sagte damals, er habe die Regeln falsch verstanden.

"Norges Skiforbund" jedenfalls, der Sundby ohne Strafe laufen lassen wollte und allem Anschein nach nun auch am liebsten Johaug unbehelligt davonkommen lassen möchte, gerät immer mehr in die Kritik wegen der dubiosen Erklärungen für die Dopingfälle. Über die Creme-Theorie im Fall Johaug sagte der schwedische Anti-Doping-Experte Åke Andrén-Sandberg seinem heimischen TV-Sender SVT: "Das ist eine weit hergeholte Erklärung, aber nicht unmöglich. Die Labore sind mittlerweile so gut, dass sie so geringe Mengen finden können, wie man sie durch eine Lippencreme aufnimmt."

Wie auch immer es gewesen sein mag - "das darf dem professionellsten Skiverband der Welt nicht passieren. Das Ausland kann uns verhöhnen mit jedem Recht der Welt", findet die Zeitung VG: "Die Freude am norwegischen Langlauf ist auf unabsehbare Zeit zerstört." Und Aftenposten schrieb über den neuerlichen Imageschaden für Norwegens Langläufer: "Die Sundby-Sache war schlimm, die Johaug-Sache ist zehnmal schlimmer. Eine Google-Suche hätte all das verhindern können."

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SZ vom 14.10.2016
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