Almuth Schult:Das letzte Spiel vor Los Angeles
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Torhüterin Almuth Schult nimmt mit dem Sieg im DFB-Pokalfinale Abschied aus Wolfsburg und zieht zu einem Klub, den unter anderem Schauspielerin Natalie Portman gegründet hat. Schult sagt: "Dieser Verein hat einen Auftrag."
Von Ulrich Hartmann, Wolfsburg/München
Am Sonntag kämpfen die Engel gegen Gotham. In der 'National Women's Soccer League' trifft Los Angeles auf New York; der Angel City FC auf den Gotham FC. Weil sich New Yorks Fußballerinnen nach dem Moloch aus den Batman-Comics benennen, klingt dieses Spiel wie ein filmreifes Duell zwischen Gut und Böse. Die deutsche Torhüterin Almuth Schult als künftiger Engel musste aber vor Gothams Angriffen erst noch andere Attacken abwehren. Mit dem VfL Wolfsburg gewann sie am Samstag in Köln das DFB-Pokalfinale gegen Turbine Potsdam mit 4:0. Es war nach neun Jahren ihr letztes Spiel für Wolfsburg. "Die Tränen laufen schon, wenn ich nur dran denke", sagt sie vor der Partie.
Im Juli spielt Schult mit der Nationalmannschaft noch die Europameisterschaft in England, erst im August zieht sie mit ihrer Familie nach Los Angeles, um fortan für jenen Klub zu spielen, den berühmte Schauspielerinnen, Sängerinnen und Sportlerinnen vor zwei Jahren auch als Fanal für mehr Gleichberechtigung in Sport und Gesellschaft gegründet haben.
Ein Gefühl wie im Männerfußball, das will sie erleben
Eine der Initiatorinnen ist die Schauspielerin Natalie Portman, Investorinnen sind unter anderem die Sängerin Christina Aguilera, die Skifahrerin Lindsey Vonn sowie die Schauspielerinnen Jennifer Garner und Jessica Chastain. Ist das noch Fußball oder ist das schon Showbiz? Das möchte Schult herausfinden. "Ich bin niemand, der Promis hinterherläuft, um ein Selfie zu machen", sagt sie, "aber ich freue mich, wenn ich so bekannte Frauen kennenlernen darf." Wenn alles perfekt läuft, bringt die 31-Jährige irgendwann außer einem Titel auch Kenntnisse nach Deutschland, wie man den Frauenfußball richtig groß inszeniert.
Ihre Entscheidung für Los Angeles ist also weniger wegen der Aura dieser Metropole, sondern aus zwei anderen Gründen gefallen, erstens: "Weil die amerikanische Liga super ausgeglichen ist; weil sie dort mit großem Zug zum Tor spielen, viele hohe Bälle in den Strafraum schlagen, oft aus der Distanz schießen und weil das alles für einen Torwart eine riesen Herausforderung ist." Und zweitens: "Weil unsere Philosophien zusammenfinden; weil ich immer etwas für meinen Sport unternommen habe und weil der Angel City FC aus genau diesem Ziel eine riesige Bewegung gemacht hat." Schult zieht ans andere Ende der Welt, um zu erleben, wie es ist, wenn sich Frauenfußball ein bisschen so anfühlt wie in Deutschland der Männerfußball.
Zu den Heimspielen der Angels kommen bis zu 20.000 Zuschauer. Das Publikum ist anders als in Deutschland bunt gemischt. "Wir wollen die Welt unterhalten", sagt die Klubpräsidentin Julie Uhrman, "wir sind in Los Angeles zuhause, wir sind Geschichtenerzähler." Vor Pathos scheuen sie in Hollywood nicht zurück. Aber auch nicht vor seriösen, notwendigen Ambitionen. "Wir bauen eine andere Art von Organisation auf", steht auf ihrer Internetseite, "hier kommen Mission und Kapital zusammen." Dass Fußballerinnen genauso viel verdienen wie die Männer, ist nur eines ihrer Ziele. Es geht um mehr Gerechtigkeit und um all das, wofür Schult mit ihrer Organisation "Fußball kann mehr" kämpft. "Dieser Verein hat einen Auftrag, den ich gerne begleite", sagt sie, "und ich will wissen, was sie in der Vermarktung anders machen, um diese Idee vielleicht mit nach Deutschland zu bringen."
Es wäre nicht überraschend, landete die gesellschaftsrelevante Fußballstory dieses Angel City FC irgendwann als Spielfilm in den Kinos. Die Hauptrollen spielten dann vermutlich Natalie Portman, Jennifer Garner und Jessica Chastain. Almuth Schult hat etwas übrig für großes Kino. "Fantasy, Action und Thriller", mag sie als Genres, aber auch Disney hat sie gern und freut sich schon, die Zeichentrickfilme später mal mit den Zwillingen anzuschauen. Film und Musik sind ihre künstlerischen Favoriten, doch auch den Fußball zählt sie zum kulturellen Erbe der Gesellschaft. "Ich gehöre selbst zu einer Sparte der Kunst", sagt sie: "zum Sport." So ein Satz dürfte in Angel City Anklang finden.
Ein Star will sie gar nicht sein, Schult versteht sich als Teamspielerin
In der Autostadt Wolfsburg herrscht weniger Pathos. Dort inszenieren sie den Fußball weniger für die ganze Welt als für die örtliche Belegschaft. Sie spendieren dafür aber so viel Geld, dass die Wolfsburgerinnen seit Jahren den Maßstab im deutschen Fußball darstellen. Sechs Mal ist Schult mit dem VfL Meisterin geworden, durch den Sieg gegen Potsdam nun acht Mal nacheinander Pokalsiegerin. Sein letztes Pokalspiel verloren hat der VfL am 16. November 2013 in Frankfurt. Seither hat er 39 Pokalspiele in Serie gewonnen. "Eine unvergleichliche Serie", sagt Schult und wird wehmütig bei dem Gedanken, dass ihre Eltern, hart arbeitende Landwirte, erstmals gemeinsam zum Pokalfinale nach Köln kommen.
Auf dem Schirm hat sie nach diesem Finale auch den EM-Titel im Juli. "Wir können Europameisterinnen werden", sagt sie und würde gerne dazu beitragen, indem sie das deutsche Tor genauso hütet wie beim Olympiatriumph 2016. Doch diesmal muss sie darum kämpfen, die Nummer eins zu werden - gegen Frankfurts Merle Frohms. "Ich werde der Bundestrainerin diese Entscheidung so schwer wie möglich machen", sagt Schult.
Würde sie im August als Meisterin, Pokalsiegerin und Europameisterin in Los Angeles landen, sie würden ihr gewiss einen roten Teppich ausrollen. Schult aber will gar kein Star sein, sie hat sich immer als Teamspielerin verstanden. Und so sagt sie vor ihrem Wechsel aus Wolfsburg nach Hollywood im Duktus ihrer zukünftigen Heimat über den deutschen Frauenfußball: "Es gibt unglaublich viele wundervolle und spannende Geschichten zu erzählen - über jede einzelne Spielerin des VfL Wolfsburg könnte man einen Film drehen."