Süddeutsche Zeitung

Roger Federer:Einer, der nicht herabblickt

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Roger Federer zelebriert Tennis mit einer solchen Ästhetik, dass man ihn für ein Kunstprodukt halten könnte. Im normalen Leben ist er genau das Gegenteil. Das verdient besonderen Respekt.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Es gibt Sportler, die mit nur einer Bewegung einen Moment für die Ewigkeit schaffen. Golfprofi Payne Stewart, später bei einem Flugzeugabsturz verunglückt, machte sich unsterblich, als er einmal ein Bein nach hinten, eine Faust nach vorne streckte und jubelnd so ausharrte. Jeder Fan in den USA kennt diese Geste. Unvergessen bleibt, wie Diego Maradona 1986 in den Himmel stieg und die Hand Gottes walten ließ. Björn Borgs Kniefall in Wimbledon bot ein epochales Bild, viele sanken seitdem wie vom Blitz getroffen hernieder und schluchzten, doch es ist der Schwede, der für diese Reaktion steht. Roger Federer, nun Rekordhalter als achtmaliger Champion des All England Clubs, war also nicht der Erste, der seine Triumphe so zelebriert. Aber betrachtet man seinen Fall größer, und nichts anderes bleibt übrig, ist ohnehin festzuhalten: Ein Federer passt nicht in eine Sequenz.

Müsste man ihn in Bronze gießen, hätte man die Qual der Wahl: Seine Vorhand - aus dem Lehrbuch. Sein Aufschlag - Freiheit. Sein Volley - erhaben. Seine einhändige Rückhand impliziert alles zusammen, Ästhetisches, Graziles, Schwereloses. Federer ist ein Statuenspieler in Perfektion und deshalb über Grenzen, Medien, Konkurrenten hinweg derart verehrt, dass man ihn für ein Kunstprodukt halten müsste.

Aber er ist das Gegenteil davon, und das lässt seinen Glanz umso heller erstrahlen. Federer ist vor allem auch ein netter, normaler, schelmischer Mensch, einer, der nicht so viele Drinks verträgt, wie er nach der jüngsten Siegesnacht bekannte. Und höflich dazu, so höflich, dass er dem Sport das größtmögliche Präsent noch etwas länger zuteil werden lässt: sich selbst, in der Rolle als ewiger Federer.

Er müsste nichts mehr beweisen, er ist längst im Rang eines Ali, Jordan, Pelé, mit 35 müsste er sich nicht mehr messen. Und doch tut er es. Weil sein Beruf mehr ist als ein Kick-back-Geschäft von materiellen Werten und Rekordjagden. So viele fühlen sich von ihm inspiriert, aber er hat auch seine Freude, als Inspirator, als Botschafter. Auf den Plätzen ist er der Einzelspieler, aber längst siegt er nicht mehr für sich alleine. Beim Laver Cup im September bringt er alte und junge Prominenz zusammen, den Sieg in Wimbledon widmete er der Familie, seine Stiftung sammelt Millionen für Kinder.

Federer ist weit mehr als ein 19- Grand-Slam-Titel-Mann, er ist ein Kümmerer, einer, der seinen Sport und die Darsteller mag, der nicht herabblickt, der ums Glück weiß. Er vermittelt das Gefühl, dass er allen ein bisschen gehört. Am Abend vor seinem Wimbledon-Finale hat er seine vier Kinder ins Bett gebracht. Auch das war ihm wichtig. Dass Federer bei all der Überhöhung, die ihn umgibt, so geworden ist, verdient besonderen Respekt.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2017
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