Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Robin Hack, der leise Tempodribbler

Lesezeit: 3 min

Drei Tore gegen Wales, zwei gegen Darmstadt: Nürnbergs U21-Nationalspieler hat binnen fünf Tagen mächtig auf sich aufmerksam gemacht - er hat Qualitäten, die auch Joachim Löw schätzt.

Von Christoph Ruf

Schüchtern. Das ist das erste Attribut, das jemandem in den Sinn kommt, der dem Mann des Tages bei seinen schütteren Ausführungen inmitten der Nürnberger Journalisten zuhört. Zwei Tore hat Robin Hack gerade zum 3:3 des 1. FC Nürnberg in Darmstadt beigetragen. Es waren schöne Tore. Ein sehr lässiger Abschluss nach einem Solo. Und ein präziser Gewaltschuss. Es waren außerdem Hacks Tore vier und fünf in dieser Woche.

Die ersten drei hat er fünf Tage zuvor für die deutsche U21 im Spiel gegen Wales geschossen. Doch wer nun erwartet, dass da ein triumphierender Jüngling mit stolzgeschwellter Brust schlecht kaschiertes Eigenlob in die Mikrofone diktiert, der sieht sich getäuscht. Hack flüstert regelrecht. Und er sagt Sätze, die offenbar mit der Motivation gesprochen werden, er, der Fünf-Tore-in-einer-Woche-Hack, Stürmer der Woche, möge geschwind wieder vergessen werden. Selbst zum Videobeweis, der auch in Darmstadt mal wieder die dramaturgische Hauptrolle spielte, will er "keine eigene Meinung" haben. Als mutmaßlich einziger unter 82 Millionen Bundesbürgern.

Es sind also andere, die den 21-Jährigen derzeit loben müssen. Seine Mitspieler zum Beispiel. Oder sein Trainer Damir Canadi, der nach dem Spiel berichtet, wie er seinen Stürmer in der vorletzten Trainingswoche beiseite genommen hat. "Ich habe ihm gesagt, dass ich fußballerisch sehr mit ihm zufrieden bin, dass er aber in den ersten Spielen viel zu wenige Abschlüsse hatte." Das nahm der sich offenbar zu Herzen, gegen Wales traf er in zehn Minuten drei Mal, in Darmstadt suchte Hack, der zuvor in der Liga torlos geblieben war, in fünf, sechs Situationen den kürzesten Weg zum Tor. "Manchmal hilft es, wenn man nicht zu viel nachdenkt", hat Canadi am Sonntag gelobt.

Dabei ist Hack nicht einmal ein Stürmertyp, den man primär am Torerfolg messen sollte. Technisch ist er beschlagen, der Blick für den Mitspieler ist gut ausgebildet, auffallend stark ist sein Dribbling auch im hohen Tempo. Damit bringt er - ähnlich wie der in Freiburg spielende U21-Kollege Luca Waldschmidt - genau die Fähigkeiten mit, die U21-Trainer Stefan Kuntz schätzt und die Joachim Löw als Zusatzqualifikation ins Offensivspiel der Nationalmannschaft integrieren will.

Hypothetich gesprochen natürlich. Denn die guten Sitten verbieten es, einen jungen Mann, der es gerade einmal auf 67 Erstliga- und 472 Zweitligaminuten bringt, mit anderen Mannschaften als der aus dem eigenen Verein in Verbindung zu bringen. Zumal der auch noch einiges lernen muss. Das Kopfballspiel, vor allem aber die Arbeit nach hinten. Gegen Darmstadt sah die Club-Abwehr im ersten Durchgang auch deshalb so schlecht aus, weil Hack sich ein wenig vor den Defensivaufgaben drückte.

Zudem ist der blond gelockte Hack ein gebranntes Kind in Fragen des frühzeitigen Lobs. Mit nicht einmal 14 Jahren wechselte er vom Karlsruher SC in die U15 der TSG Hoffenheim, wo er schnell als Ausnahmetalent galt. Doch die Karriere geriet ins Stocken. Immer wieder verletzte sich Hack, am schwersten im August 2015, als er, gerade 16 Jahre alt, von einem Gegenspieler an der Mittellinie von hinten so brutal umgetreten wurde, dass selbst der Ingolstädter U-19-Trainer Roberto Pätzold seinen Abwehrspieler anbrüllte.

Hack zog sich unter anderem eine Fraktur des Unterschenkels zu und fiel ein Jahr aus. Als die Verletzung auskuriert war, nahm ihn sein Förderer Julian Nagelsmann hin und wieder mit in den Profikader, wo ihm im Oktober 2017 auch ein Bundesligatreffer gegen Freiburg gelang. Doch so richtig in Fahrt kam die Karriere danach auch nicht. Im Profikader kam er kaum zum Zug und musste in der vergangenen Saison neun Mal in der viertklassigen Regionalliga Südwest aushelfen. Der Transfer nach Nürnberg war also auch aus Hoffenheimer Sicht naheliegend.

Zumal sich die Kraichgauer eine Rückkaufoption gesichert haben, die am Ende der Saison gezogen werden kann, falls Hack und Hoffenheim das wollen. Aus Nürnberger Sicht gab es bei dem Transfer sowieso nicht viel zu überlegen. Ein unerfülltes Versprechen wie Hack, das dementsprechend günstig - die Rede ist von einer halben Million Euro Ablöse - zu haben ist, entspricht ziemlich exakt dem Anforderungsprofil eines Vereins, der wie der HSV oder Stuttgart gerne wieder aufsteigen würde, der aber im Gegensatz zum HSV oder zu Stuttgart nicht den Etat dafür hat. Etwas leiser treten beim Club derzeit viele auf, nicht nur Robin Hack.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019
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