Süddeutsche Zeitung

Rekordmarke in der DEL:Ein stiller Vulkan

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Seit 17 Jahren als Cheftrainer ist Don Jackson an der Eishockeybande die Ruhe selbst - jedenfalls meistens. Acht Titel hat er in dieser Zeit gewonnen. Am Sonntag wird der 66-Jährige sein 1000. Spiel absolvieren.

Von Christian Bernhard

Die neue Spielzeit der Deutschen Eishockey Liga (DEL) war noch keine 56 Minuten alt, da gab es schon den ersten typischen Don-Jackson-Moment. 4:14 Minuten waren am Donnerstag noch auf der Spieluhr, da beorderte der Trainer des EHC Red Bull München seinen Torhüter Mathias Niederberger zugunsten eines zusätzlichen Feldspielers vom Eis. Sein Plan ging nicht auf, München kassierte einen Treffer ins verwaiste Tor und verlor das DEL-Auftaktspiel bei den Kölner Haien überraschend mit 3:6.

Don Jackson und das frühe Vom-Eis-Nehmen des Torhüters - diese Geschichte nahm in der DEL schon in der Spielzeit 2005/06 ihren Anfang. Damals waren es seine Düsseldorfer, die im Halbfinale gegen Erzrivale Köln 1:3 zurücklagen, bei einer Niederlage wäre ihre Saison vorbeigewesen. Acht Minuten vor Ende holte er den Torhüter vom Eis - und mit drei Toren binnen 180 Sekunden zog die DEG ins Playoff-Finale ein. Der folgende Jubelrausch im legendären Stadion an der Brehmstraße "war der größte, den ich je erlebt habe - und ich habe viel erlebt", erinnert sich Frieder Feldmann zurück, damals wie heute Düsseldorfs Pressesprecher. DEG-Manager Lance Nethery attestierte Jackson "dicke Eier" nach dieser Aktion.

2005 also startete Don Jackson seine Cheftrainer-Karriere in der DEL. In jenem Jahr, in dem Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde und Joseph Ratzinger Papst. 17 Jahre später ist er immer noch dabei. Und an diesem Sonntag fügt er seinen zahlreichen Rekorden, deren beeindruckendster sicher die acht gewonnenen Meistertitel sind, nun einen weiteren hinzu: Das Heimspiel gegen die Adler Mannheim (15.15 Uhr) ist sein 1000. als DEL-Trainer.

Man sah Jackson an, dass er sich zwingen musste, überhaupt etwas über sein Jubiläum zu sagen

Von Jackson zu erfahren, was er über diese imposante Zahl denkt, ist fast so schwierig, wie sie zu erreichen. Der US-Amerikaner redet nicht gerne über sich, nicht mal zu solch besonderen Anlässen. Er könne nur schwer über das nächste Spiel hinausblicken, sagte er Anfang der Woche, als die Partie Nummer 999 in Köln bevorstand. Sich über solche Dinge zu äußern, widerspräche seiner "Game-to-Game"-Philosophie zutiefst. Die vielen Trainerjahre hätten ihm "großen Spaß" bereitet, er sei dankbar, immer wieder die Möglichkeit bekommen zu haben - viel mehr ließ er sich nicht entlocken. Man sah ihm an, wie er sich zwingen musste, überhaupt etwas dazu zu sagen.

Seine Wegbegleiter aber reden gerne über den 66-Jährigen aus Minnesota. Egal bei wem man sich umhört, die Begriffe Ruhe, Besonnenheit, Respekt fallen fast immer. Jackson sei ein "super Gentleman", fasst es Ligachef Gernot Tripcke zusammen.

"Ganz schön viel" findet ein lachender Florian Busch, als er von Jacksons 1000er-Marke hört. Der Miesbacher kennt Jackson besonders gut. Sechs Jahre spielte er unter dem Cheftrainer für die Eisbären Berlin, die damals fünf Meistertitel gewannen. Jackson habe "brutale Ruhe" ausgestrahlt, alles im Griff gehabt, erzählt er. "Unter Don hat man immer Selbstvertrauen gehabt." Noch mehr als der Trainer überzeugte viele der Mensch Don Jackson. Er habe einem immer ein gutes Gefühl gegeben, sagt Deron Quint, der unter Jackson mit Berlin und München Meister wurde. "Er nimmt dich als Mensch ernst, nicht nur als Profi."

Jackson, sagt Klaus Kathan, habe nie sportliche Tricks angewandt, "er macht es einfach gefühlvoller"

Auch Klaus Kathan, einer der Düsseldorfer Kapitäne in Jacksons erster Saison als DEL-Cheftrainer, "wüsste überhaupt nichts Negatives" über den Jubilar zu berichten. Dem mehrmaligen Olympia- und WM-Teilnehmer aus Bad Tölz sei Jackson "nie wie ein Trainer vorgekommen", eher wie ein Kollege, wegen seiner Menschlichkeit und Ruhe. Deshalb muss Kathan heute noch jedes Mal lächeln, wenn er Jackson im Fernseher sieht. Der habe nie sportliche Tricks angewandt, "er macht es einfach gefühlvoller". Das sei das Geheimnis seines Erfolges.

Trotzdem pflegt Jackson stets eine gewisse Unnahbarkeit. Sein Berliner Kapitän André Rankel sagte einst über ihn, niemand könne in den Kopf von Don Jackson hineingucken. Da habe Rankel nicht ganz Unrecht, findet Florian Busch. Jackson sei "undurchsichtig", man wisse nie so recht, was er denkt. Doch Busch empfand das nie als negativ, er mag es, wenn Menschen "nicht gleich den Mund aufreißen".

Natürlich kann der oft stoisch wirkende Jackson auch laut werden. Sowohl Busch als auch Felix Petermann, Jacksons Kapitän, als er 2014 von Berlin nach München wechselte, erzählen von Ausbrüchen in der Drittelpause, bei denen schon mal die Mülltonne durch die Kabine flog oder "das Tape an der Decke hängen blieb".

"Man weiß, dass da ein Vulkan in ihm bebt", sagt DEL-Boss Tripcke. Der brach nicht nur 1995 aus, als Jackson zu seinen Nordamerika-Zeiten übers Plexiglas hinter seine Trainerbank kletterte und des Gegners Maskottchen attackierte - eine Szene, die immer mal wieder hervorgeholt wird. Auch vor drei Jahren in der Champions Hockey League in Ambri-Piotta, wo Mikrofone seine heftige Schimpftirade Richtung Schiedsrichter publik machten. "Ein, zwei Ausraster" gehörten bei so vielen Spielen einfach dazu, findet Tripcke, insbesondere da Jackson einer sei, der danach zum Telefon greife und sich entschuldige.

Und es gibt noch etwas, das Petermann an Jackson imponiert: die "Weitsicht" seiner Entscheidungen. "Er hat schon im August an die Playoffs gedacht." Nicht auszuschließen, dass er dies auch während des 1000. Spiels macht.

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