Süddeutsche Zeitung

Santiago Solari bei Real Madrid:Ein Schachspieler für die Königlichen

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Von Javier Cáceres

Dass sich Santiago Solari, 42, von den gängigen Figuren des Berufsfußballs unterscheidet, konnte man bereits lernen, als er Ende des vergangenen Jahrhunderts bei Atlético Madrid anheuerte. Solari kam vom argentinischen Traditionsklub CA River Plate und hatte Bücher unterm Arm. Unter anderem von Friedrich Nietzsche.

Am Montagabend wurde Solari, bislang Coach der zweiten Mannschaft von Real Madrid, "vorübergehend" Cheftrainer des spanischen Rekordmeisters, als Nachfolger des nach dem 1:5 beim FC Barcelona schmählich vom Hof gejagten Julen Lopetegui. Solari könnte seinen neuen Untergebenen Sätze aus "Also sprach Zarathustra" vorlesen: "Eure Arbeit sei ein Kampf, euer Friede sei ein Sieg!", solche Dinge. Oder Reden halten, die so barock ausgeschmückt wären wie es seine Artikel über Fußball waren, die er für die Zeitung El País verfasste.

Solari aber ist nicht nur ein Mann mit Interessen, die übers Geschehen auf dem Platz hinausreichen, der ins Theater geht oder passabel Schach spielt. Sondern er ist auch Fußballer durch und durch. Der elfmalige argentinische Nationalspieler, der unter anderem auch bei Inter Mailand und Peñarol Montevideo spielte, stammt aus einer berühmten Fußballerfamilie: Sein Vater Eduardo war Profi, sein Onkel Jorge ebenso; von Letzterem, der in Argentinien als "el Indio" Solari ("der Indianer" Solari) berühmt wurde, leitet sich sein eigener Spitzname ab: Indiecito, zu deutsch: Indianerlein.

Und so weiß Santiago Solari, was die Stunde gebietet, da er an diesem Mittwoch mit dem aktuellen Champions-League-Sieger im spanischen Pokal beim Drittligisten UD Melilla antreten muss. Seine Idee für die Partie? "Jugar con dos cojones", das heißt: "mit zwei Eiern zu spielen".

In Madrid jazzen sie Solari gerade zum neuen Zinédine Zidane hoch; der Franzose hatte wie Solari Real Madrids Farmteam trainiert und dann einen erstaunlichen Lauf hingelegt: drei Champions-League-Titel in Serie. " Zizou ist unvergleichlich", sagte Solari. Er weiß, wovon er spricht.

Solari war von 2000 bis 2005 Teil von Reals Galácticos-Generation - und bei der Erschaffung ihres berühmtesten Werks, Zidanes Volleytraumtor beim Champions-League-Finalsieg 2002 von Glasgow gegen Bayer Leverkusen, wichtiger Gehilfe. "Das einzige, was da gut war, war mein Pass: Roberto Carlos' Hereingabe war eine Drecksflanke ins Nichts, und Zizou traf dann den Ball bloß mit dem Schienbein", sagt Solari. Im Scherz. Denn Zidane traf mit seinem ikonischen Schuss in den Winkel.

Er selbst fühlte sich als Teil der "Mittelklasse, die, auch im Fußball, die Basis aller wohlhabenden Gesellschaften der Welt darstellt", sagte er einmal in einem Interview mit El Gráfico, in dem er auch sein Credo formulierte: Er liebe den Ballbesitzfußball. "Aber Achtung, ich verleugne nicht den direkten Fußball, sondern habe ihn in meiner Zeit in Italien schätzen gelernt." Mit stilistischen Fragen hält er sich aktuell freilich nicht auf. Was ihm fußballerisch vorschwebe, wurde er gefragt, er sagte: "Gewinnen."

Sollte er das öfter schaffen, wird er vielleicht doch zur Dauerlösung. Reals Verhandlungen mit Antonio Conte sind geplatzt, Roberto Martínez (Belgien), José Mourinho (Manchester United) sind gebunden. Solari rührt das angeblich nicht. Also sprach das Indianerlein: "Wir alle sind nur vorübergehend hier, im Leben und in diesem Beruf."

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SZ vom 31.10.2018
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