Süddeutsche Zeitung

Radsportler Chris Froome:Ist der positive Test von Froome ein Dopingfall?

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Warum wird der Tour-Sieger trotz positiver B-Probe nicht sofort gesperrt? Haben Spitzensportler häufiger Asthma? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fall Chris Froome.

Von Martin Schneider

Wie stellt sich der Fall dar? Bei einer Dopingprobe während der Spanienrundfahrt Vuelta a Espana wurden beim vierfachen Tour-de-France-Sieger Chris Froome Rückstände des Asthmamittels Salbutamol im Urin festgestellt. Bis zu einer Konzentration von 1000 Nanogramm im Urin ist die Einnahme des Mittels gemäß den Statuten der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada erlaubt. Bei Froome wurde aber der doppelte Wert festgestellt.

Ist das nun Doping? Das muss noch geklärt werden. Zwar waren sowohl A- und B-Probe positiv, aber bei Salbutamol gibt es in den Bestimmungen der Wada eine Ausnahme. Weil die Einnahme des Mittels bis zu einer gewissen Dosis erlaubt ist, gibt die Wada dem Athleten bei einer höheren Dosierung die Chance, sich zu erklären. Wörtlich heißt es, der Athlet müsse nun im Rahmen "einer pharmakokinetischen Untersuchung" (Pharmakokinetik bezeichnet die Gesamtheit aller Prozesse, denen ein Wirkstoff im Körper unterliegt) nachweisen, dass das auffällige Testergebnis das Resultat einer therapeutischen Dosis war und nur durch den Gebrauch von Salbutamol per Inhalation zustande gekommen ist. Kann er das nicht, droht ihm eine längere Sperre und die Aberkennung seines Sieges bei der Vuelta.

Was ist Salbutamol? Ein gängiges Asthma-Medikament. Es imitiert die Wirkung des Stresshormons Adrenalin und sorgt für eine Erweiterung der Bronchien und damit zu einer verbesserten Aufnahme von Sauerstoff. Die Wirkung hält in der Regel vier Stunden an. Der Pharmakologe Fritz Sörgel erklärte auf Anfrage des Sport-Informations-Dienstes, es sei wissenschaftlich nicht gesichert, ob Salbutamol überhaupt einen leistungssteigernden Effekt besitze. Dennoch habe "die Substanz einen guten Ruf. Es spielt auch ein Placebo-Effekt eine Rolle, das allgemeine Wohlgefühl, die Psyche verbessern sich", sagte Sörgel.

Gab es bereits einen ähnlichen Fall? 2008 wurde der Sprinter Alessandro Petacchi für den übermäßigen Gebrauch von Salbutamol für ein Jahr gesperrt - außerdem wurden ihm fünf Etappensiege des Giro d'Italia aberkannt.

Wie lautet Froomes Erklärung für die Testergebnisse? Der Tour-Sieger geht mit einem ersten Statement in die Richtung, dass es eine therapeutische Dosis war: "Mein Asthma wurde während der Vuelta schlimmer, und so habe ich die Anweisungen der Teamärzte befolgt, meine Salbutamol-Dosierung zu erhöhen. Aber wie immer habe ich mit größter Sorgfalt darauf geachtet, dass die erlaubte Dosierung nicht überschritten wird."

Welche Rolle spielt sein Team Sky? Das Radsportteam ist vielen Experten verdächtig, weil es die Tour de France seit Jahren dominiert. der britische Radrennstall beteuert jedoch seit Jahren, die Überlegenheit hätte nichts mit Dopingpraktiken zu tun. Es gibt rund um das Team diverse Merkwürdigkeiten - allerdings vor dem positiven Test von Froome keine Beweise.

War bekannt, dass Froome Asthma hatte? 2014 gab Froome erstmals an, unter Asthma zu leiden. Bei der Romandie-Rundfahrt hatte ihm der Weltradsportverband UCI die Einnahme eines kortikoidhaltigen Sprays zum Inhalieren gestattet. Die UCI sagte, die Einnahme stünde im Einklang mit allen Regeln.

Hatte Froome dafür eine medizinische Ausnahmegenehmigung? Offensichtlich nicht, denn Salbutamol ist bis zu einem gewissen Grenzwert erlaubt. Überschreitet man diesen Grenzwert, braucht man eine Therapeutic Use Exemptions (TUE). Hätte der Brite eine solche, wäre die Sache klar. Froome besaß allerdings im Jahr 2013 zwei solcher TUEs für das Mittel Prednisolon. Dies wurde bekannt, weil russische Hacker die Genehmigungen veröffentlichten. Froome krisierte daraufhin das System der TUEs. Es lade zum Missbrauch ein.

Hatte Froome schon einmal Probleme mit Krankheiten? Zu Beginn seiner Karriere war Froome ein durchschnittlicher Fahrer. 2010 wurde bekannt, dass Froome, der in Kenia aufwuchs, an der tropischen Wurmkrankheit Bilharziose leidet und dagegen Medikamente nimmt. Er pausierte 18 Monate - und wurde danach der dominierende Fahrer des Pelotons. Froome erklärte seine Leistungssteigerung damit, dass er durch die Krankheit geschwächt war.

Haben Spitzensportler häufiger Asthma? Ja. Asthma ist eine Entzündung der Atemschleimhaut. Ungefähr fünf Prozent der Bevölkerung leiden daran - bei Spitzensportlern ist der Wert teilweise deutlich erhöht. Nach einer Studie australischer Wissenschaftler im Jahr 2012, die die Daten von Olympia-Athleten auswerteten, leiden 24,9 Prozent aller Triathleten an Asthma, gefolgt von den Radfahrern (17,2 Prozent), Schwimmern (17,1 Prozent) und Fünfkämpfern (16,8 Prozent). Auch beim Fußball ist Asthma nicht ungewöhnlich. Beim WM-Viertelfinale 2010 zwischen Deutschland und Argentinien standen acht Spieler im Kader, die eine Ausnahmegenehmigung für Medikamente hatten, unter anderem Mario Gomez.

Ist das nicht ein klarer Hinweis auf Betrug? Nein, nicht zwingend. Ausdauersportler sind anfälliger für Asthma. Die Lungenschleimhaut wird durch das Ausdauer-Training häufiger gereizt als bei Nicht-Sportlern.

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