Süddeutsche Zeitung

Paris Saint-Germain:Schon wieder Druck auf dem Kessel

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Der französische Meister kassiert vor dem Champions-League-Auftakt gegen Borussia Dortmund seine erste Saisonniederlage. Die Abwehr schwächelt, und vorne ist nur Kylian Mbappé in guter Form.

Von Stefan Galler

In einem Monat feiert Dante Bonfim Costa Santos einen runden Geburtstag: 40 Jahre alt wird der brasilianische Fußballer dann, und erstaunlicherweise für einen Profi dieses Alters kommt seine Berufsbezeichnung weiterhin ohne das Präfix "Ex" aus. Noch erstaunlicher ist, dass Dante konstant auf Topniveau spielt, wie er zuletzt in der Ligue-1-Partie seines Vereins OGC Nizza bei Paris St. Germain unter Beweis stellte: An der Seite des ehemaligen Schalkers Jean-Clair Todibo zeigte der frühere Bundesligaspieler, noch immer mit beeindruckendem Afrolook gesegnet, der hochgelobten PSG-Offensive beim 3:2-Erfolg in Paris ihre Grenzen auf.

Einzig Ausnahmeerscheinung Kylian Mbappé war nicht aus dem Spiel zu nehmen, ihm gelangen beide Pariser Tore, das zweite mit sehenswertem Seitfallzieher. Er hat nach fünf Spieltagen schon sieben Mal getroffen, obwohl er nur dreieinhalb Spiele lang auf dem Platz stand. Seine Nebenleute Ousmane Dembélé und Gonçalo Ramos blieben gegen Nizza ebenso harm- und wirkungslos wie die später eingewechselten Randal Kolo Muani (der bei seinem Debüt für PSG wenigstens noch den spektakulären Mbappé-Treffer zum 2:3-Endstand vorbereitete) und Talent Bradley Barcola.

Marco Asensio, ablösefrei von Real Madrid geholt, hat zwar schon zwei Saisontore erzielt, fällt jedoch vorerst verletzt aus. Der neue Pariser Trainer Luis Enrique will von einer Abhängigkeit nichts wissen, erst recht, weil weiterhin der ablösefreie Abschied des dann vertragslosen Mbappé im kommenden Sommer droht: "Ich habe eine Mannschaft, in der alle Offensivspieler treffen können. Mbappé wird immer treffen, das liegt in seiner DNA, aber die anderen werden es auch tun."

Und so misslang die Generalprobe des französischen Meisters im Prinzenpark vor dem Aufgalopp in die Champions League an diesem Dienstag an selber Stelle gegen Borussia Dortmund gewaltig. Und dies, nachdem das Team zuletzt nach durchwachsenem Start mit zwei Remis einen Aufwärtstrend gezeigt hatte: mit Siegen gegen den Meisterschaftszweiten Lens (3:1) und Olympique Lyon (4:1). Beide hoch eingeschätzte Konkurrenten sind völlig außer Tritt, Lyon ersetzte in der Länderspielpause sogar Trainer Laurent Blanc bereits durch den Italiener Fabio Grosso.

Ohne die abgewanderten Lionel Messi und Neymar fehlt es PSG an Kreativität

Luis Enrique analysierte die hinten wie vorne mäßige Leistung seiner Mannschaft bei dieser ersten Saisonniederlage schmallippig: "Die erste Erklärung ist das Defensivniveau von Nizza. Und wir hatten in der ersten Halbzeit schlechte Positionen. Es ist meine Pflicht, dies zu korrigieren ", sagte er. Die Dortmunder werden aufmerksam beobachtet haben, wie es den Gästen von der Côte d'Azur gelang, das runderneuerte Starensemble aus den Angeln zu heben: Immer wieder liefen sie extrem hoch an, machten ständig Druck auf Torwart Gianluigi Donnarumma, der ein ums andere Mal hektisch reagierte. Und sie streuten nach Ballgewinnen in der eigenen Hälfte lange Pässe in die Spitze ein, um den meist ungestüm nach vorne eilenden Pariser Außenverteidigern Achraf Hakimi und Lucas Hernández die Chance zu nehmen, den unsicher wirkenden Zentrumsspielern Danilo und Milan Skriniar rechtzeitig zu Hilfe zu eilen.

Das funktionierte auch deshalb, weil PSG ohne Kapitän Marquinhos und den neuen uruguayischen Abräumer Manuel Ugarte ins Spiel ging, beide waren erst spät von ihren Dienstreisen zu den jeweiligen Nationalmannschaften in Südamerika zurückgekehrt. Sie dürften gegen Dortmund in die Startelf zurückkehren, können jedoch eine andere Schwäche des neuen Kaders nicht beheben: Ohne die abgewanderten Lionel Messi und Neymar fehlt es an Kreativität, diese bringt keiner der hochkarätigen Zugänge in ausreichendem Maße mit. Selbst dem zweikampfstarken Marco Verratti kamen im Pariser Trikot, das er 416 Mal getragen hat, mehr Ideen nach Balleroberung in den Sinn als dem Portugiesen Vitinha oder den Spaniern Carlos Soler und Fabian Ruiz. Die kleine Eule, wie Verratti in seiner Heimat Italien genannt wird, wechselt nach Katar zu Al-Arabi und wurde vor dem Spiel gegen Nizza tränenreich verabschiedet.

Ein frühes Ausscheiden aus der Champions League ist für PSG undenkbar - trotz der ausgeglichen stark besetzten Gruppe mit Dortmund, dem AC Mailand und Newcastle United. "Es ist ohne Zweifel die attraktivste Gruppe im Wettbewerb. Aber diejenigen, die Pech haben, sind nicht wir, sondern die anderen", hatte Luis Enrique nach der Auslosung vollmundig verkündet. Nach der Pleite gegen Nizza flüchtete er sich dagegen in Durchhalteparolen: "Ich bin glücklicher als nach dem 4:1 in Lyon, weil ich gesehen habe, wie die Spieler bis zur letzten Minute gekämpft haben", sagte er und versprach: "Am Dienstag werden wir besser spielen, da bin ich optimistisch." Es ist jedenfalls schon wieder ordentlich Druck auf dem Kessel, was auch an einer veritablen Heimschwäche liegt: Von den jüngsten neun Partien im Prinzenpark hat PSG saisonübergreifend nur drei gewonnen, aber gleich fünf verloren.

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