Süddeutsche Zeitung

Southampton in der Premier League:Geld für die Heiligen

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Der FC Southampton um Trainer Ralph Hasenhüttl zieht seinen Stolz daraus, dass er seit 2012 nicht aus der Premier League abgestiegen ist. Mit dem Einstieg einer Investmentfirma könnte sich die Strategie nun ändern.

Von Sven Haist, London

Seit dem Aufstieg 2012 hat sich der FC Southampton, trotz seiner finanziell beschränkten Mittel, nicht nur in der höchsten englischen Spielklasse etabliert. In den vergangenen Jahren hat der Klub von der Südküste in der Premier League sogar einen Verein nach dem anderen überholt - ohne dass das so richtig wahrgenommen wurde. Mittlerweile können nur noch die sechs Spitzenvereine Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester City, Manchester United und Tottenham Hotspur sowie der FC Everton auf eine längere Verweildauer in der Premier League zurückblicken.

Daraus zieht der Klub um Trainer Ralph Hasenhüttl, 54, seinen Stolz. Bis auf den Pokalsieg 1976 im Finale gegen Manchester United blieb dem Klub ein Titel immer verwehrt. Gerade die vergangenen Jahre waren mühselig und von finanziellen Entbehrungen gekennzeichnet. Doch damit könnte es jetzt erst mal vorbei sein.

Die Gründe dafür sind nicht in der Tabelle abzulesen, dort ist eigentlich alles wie immer: Auch zur Hälfte dieser Spielzeit sieht es wieder so aus, als könnte Southampton mindestens den Klassenerhalt bewerkstelligen. Mit 21 Punkten befinden sich die Saints, die Heiligen - ein Rufname, der aus den Ursprüngen des Klubs als Kirchenteam herrührt -, im hinteren Tabellenmittelfeld, aber beachtliche zehn Punkte vor den Abstiegsrängen. Ein Erfolg im Nachholspiel über Aufsteiger FC Brentford am Dienstag würde das Saisonziel, den zehnten Nichtabstieg in Serie, schon zu diesem frühen Zeitpunkt einen wesentlichen Schritt näher bringen.

Die Leistung wäre umso höher einzustufen, weil Southampton fast nach jeder Saison seine besten Spieler ziehen lassen muss. Zuletzt verlor die Mannschaft ihr gesamtes Rückgrat für insgesamt circa 65 Millionen Euro an die Konkurrenz: Abwehrchef Jannik Vestergaard (Leicester City), Mittelfelforganisator Pierre-Emile Höjbjerg (Tottenham Hotspur) und Torjäger Danny Ings (Aston Villa). Noch einschneidender war jedoch der vor vier Jahren durch einen Streik provozierte Wintertransfer des Weltklasse-Verteidigers Virgil van Dijk nach Liverpool, weil er damals zusammenfiel mit einem Eigentümerwechsel wenige Monate vorher.

Der frühere Klubchef stellte klar, dass ihm die Fußballer nicht auf der Tasche liegen dürfen

Für rund eine Viertelmillion Euro verkaufte Katharina Liebherr damals 80 Prozent der Anteile an den chinesischen Geschäftsmann Gao Jisheng - die Schweizerin hatte Southampton von ihrem 2010 verstorbenen Vater Markus Liebherr geerbt, einem Baumaschinenunternehmer, der den Klub ein Jahr zuvor vor der Insolvenz bewahrt hatte. Nach der Übernahme stagnierte Southampton: Jisheng überließ den Klub weitgehend sich selbst. Im Gespräch mit der Financial Times erklärte er einmal seine Strategie, dass er den Verein "wie ein Kind" behandeln und "nicht wie ein Schwein" mästen wolle, aber die Kinder wissen müssten, dass sie "ihrem Chef" nicht auf der Tasche liegen dürfen.

Bedingt durch die Umsatzverluste in der Pandemie erhöhte sich der Verlust für Southampton im Geschäftsjahr 2019/2020 auf ungefähr 85 Millionen Euro, nach fast 50 Millionen im Vorjahr. Um den Finanzhaushalt zu decken, musste der Klub letztlich einen Kredit bei der Investmentfirma MSD Partners über circa 90 Millionen Euro aufnehmen. Parallel arbeitete der Vorstand um Geschäftsführer Martin Semmens seit knapp zwei Jahren an einer weiteren Klubveräußerung. Und die ging vor einer Woche tatsächlich vonstatten.

Nach mehreren geplatzten Übernahmeversuchen entschloss sich der Immobilienmagnat Jisheng zu einem Verkauf seiner Anteile für rund 120 Millionen Euro an Sports Republic Limited, eine erst im Dezember gegründete und in London ansässige Sport- und Unterhaltungsinvestmentfirma. Damit folgte er dem Trend seiner chinesischen Landsleute, sich vermehrt aus dem europäischen Fußball zurückzuziehen - und machte mit dieser Entscheidung den Weg frei für Southampton, sich einen kapitalstarken Partner an die Seite zu holen. Laut britischem Handelsregister wird Sports Republic vom dänischen Duo Rasmus Ankersen (Geschäftsführer) und Henrik Kraft (Vorsitzender) geleitet, wobei hinter dem Kapitalvehikel als Geldgeber der serbische Milliardär Dragan Šolak steckt.

Šolak baute sich seinen Reichtum als Gründer des europäischen Telekommunikations- und Medienunternehmens United Group auf, das vor allem in Südosteuropa bekannt ist und im Frühjahr 2019 mehrheitlich von der weltweit operierenden Investmentfirma BC Partners erworben wurde. Speziell in Serbien besitzt United Group über seine eher regierungskritischen Kanäle großen Einfluss auf die Meinungsbildung in der Bevölkerung.

In Parlamentskreisen wird Šolak als Verbündeter des Oppositionsführers Dragan Djilas angesehen. Die Firma unterhält in dieser Saison noch die Übertragungsrechte an der Premier League für die meisten Länder auf dem Balkan, ehe ab Sommer dann der Staatsrivale Telekom Srbija die englische Liga für die nächsten sechs Jahre ausstrahlen wird. Offenbar hat der Einstieg in Southampton aber nichts mit United Group zu tun, sondern ist Šolaks alleinige Verfügung.

Für die sportliche Umsetzung des Projekts in der Hafenstadt am Ärmelkanal dürfte hauptsächlich Ankersen verantwortlich sein. Bis zuletzt war er sechseinhalb Jahre als Co-Fußballdirektor für die erfolgreiche Aufbauarbeit von Southamptons nächstem Ligagegner Brentford verantwortlich. Sein Partner Kraft sammelte Erfahrung in den Bereichen der Technologie, Telekommunikation und Medien. Sports Republic verfolgt dem Vernehmen nach das langfristige Ziel, ein ähnliches Fußballnetzwerk aus mehreren Klubs aufzubauen, wie das etwa Red Bull vorgemacht hat. Und im Zentrum davon soll der FC Southampton stehen.

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